Das türkische Verfassungsgericht hat einmal
mehr eine spektakuläre Entscheidung getroffen und Schluß gemacht mit einem
weltweit einmaligen Verbot. Tischfußball, Kicker oder im türkischen „Langirt“
war seit 1969 verboten. Jetzt entschied das höchste Gericht im Lande, das nun
auch in der Türkei ganz legal gekickert werden darf.
Kaum zu glauben, aber wahr. Beim
EU-Beitrittskandidaten ist das Kickern seit 1969 verboten. Hintergrund dieses
Verbotes waren, wie so oft im Land politische Auseinandersetzungen. Und auch
wenn in dem Verbot von 1969 ausdrücklich Langirt, wie Flipper (im türkischen
Tilt) oder Roulette als Glücksspiel eingestuft wurde, wird die Illegalisierung
des Tischspiels politisch eingeordnet. Denn wie in Westeuropa hatten Ende der
60er besonders junge aufmüpfige Studenten Spaß an dem Heimkick. Ein
Zusammenkommen dieser und wo mögliche Proteste sollten aber verhindert werden
und so wurde Langirt kurzerhand verboten.
Kickern: Neu jetzt legal auch in der Türkei Foto: copyleft FAL, Licence Art Libre |
Bis zu 5 Jahre Knast
Das Gesetz 1072 verbat das Kickern in der
Türkei in öffentlichen Räumen, ebenso die Einführung, die Herstellung oder die
Ausfuhr der Sportgeräte. Deswegen finden sich nur selten Kicker in
Kneipen und Jugendklubs. Hotels und touristisch genutzte Anlagen konnten jedoch
Ausnahmen beantragen und auch für zu Hause galt das Verbot nicht. Bei Zuwiderhandlungen drohte eine Strafe von
einem bis zu fünf Jahren Gefängnis.
Trotzdem gab es ein illegal spielendes
Nationalteam. Auch eine Mitgliedschaft bei der internationalen Kicker
Föderation war möglich, ebenso die Teilnahme an Turnieren. Jedoch gab es
aufgrund der Illegalität keine TV-Übertragungen, keine Sponsoren, keine
Medienberichterstattung. Die Zahl der aktiv spielenden SportlerInnen soll von über 100.000
aus der Zeit vor des Verbotes auf knapp 2000 gesunken sein.
Paradoxien
Im Rahmen der 47 Jahre währenden Prohibition
des Kickers gab es neben unzähligen Gerichtsverfahren und Urteilen, auch immer
wieder Situationen alá Turka. Denn das Gesetz fand zwar seine Anwendung, doch
nicht konsequent. So gibt es neben dem Nationalteam auch türkische Produzenten
von Kicker Tischen und auch Hotels ließen den ein oder anderen Tisch ins Land
importieren. Wie schwierig die Gesetzeslage umzusetzen war, zeigen exemplarisch Bilder von kickernden Politikern, darunter auch dem heutigen
Staatspräsidenten Tayyip Erdogan. Darauf bezog sich auch, der wegen
öffentlichen Kicker Spielen Angeklagte Gökhan
Ş.. Er verwies darauf, das er das Foto mit Erdogan gesehen hätte und von einem Verbot nichts wüsse. Doch diese Argumentation half
ihm nicht, er wurde zu 10 Monaten Haft
und einer Geldstrafe verurteilt
Eine neue Ära: Legales Kickern
Nun ist Schluß mit dem Kicker in dunklen
Hinterzimmern. So kann sich nicht nur das Nationalteam über potentiell
anklopfende Sponsoren freuen, auch Hersteller, Schulen, Jugendeinrichtungen und
Bars können aufatmen und endlich ganz legal auch in der Türkei Tische
aufstellen und kichern Und auch der gewöhnliche Tourist muss nicht mehr fürchten mit einem Arm im Knast zu landen, wenn er Hand an den Tisch legt. Für Freunde des Flipperns hat sich jedoch nichts
geändert. Flippern bleibt in der Türkei illegal. Tilt-Fans müssen wohl noch
einmal 47 Jahre warten.