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Dienstag, 9. Februar 2016

Spiel der Symbole

Ein Drittligist im Viertelfinale des türkischen Pokals gegen Fenerbahçe, dass allein ist schon eine Schlagzeile wert. Und wenn der Gegner aus Diyarbakır kommt, vor leeren Rängen spielen muss und ihr Starstürmer Deniz Naki 12 Spiele gesperrt wurde, steht neben dem sportlichen noch viel mehr die Politik im Vordergrund.

Schon im Vorfeld der Begegnung herrschte Hochspannung. Mit dem spektakulären Einzug von Amed Sportif Faaliyetler ins türkische Pokalviertelfinale hatte auch der türkische Fußball auf einmal wieder einen Verein aus dem Osten des Landes im Blickpunkt. Dabei geriet der sportliche Erfolg des Drittligisten, der u.a. den Superligisten Bursaspor aus dem Pokal warf und ungeschlagen ins Viertelfinale einzog, schnell ins Hintertreffen. Wie schon zuvor, Klubs aus dem Osten des Landes zur Zielscheibe nationalistischer türkischer Fans wurden, wurde auch Amed SF zum Feind der türkischen Nationalisten hochstilisiert. Soziale Medien schafften ein Klima eines nationalen Ersatzkrieges, der sich auch um die Spiele von Amed SF in Başakşehir/Istanbul oder eben in Bursa entlud. Da wurden die Amed Fans und Spieler mit Terroristen gleichgesetzt und auch brutale Fouls an Amed-Spielern teils frenetisch bejubelt. Hintergrund all dessen, sind die seit dem Sommer 2015 neu entfachten blutigen Auseinandersetzung mit PKK-nahen Gruppen befindet im Osten der Türkei. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Todesmeldungen.

Fanattrappen im Stadion

 

Ein Klub schreibt Geschichte


Amed SF gegen Fenerbahce, den türkischen Serienmeister. Das wichtigste Spiel in der Vereinsgeschichte vom Amed SF. Und auch für Diyarbakır, denn wann kommt schon mal einer der Starklubs der Süperlig vorbei im tiefen krisengeschüttelten Osten. In die aufgeheizte Stimmung nach den Spielen gegen Bursaspor und Başakşehir, hagelte es Strafen für Amed SF. Das historische Spiel wurde ohne Zuschauer angesetzt. Hiermit sollten politisch geprägte Rufe der Amed-Fans bestraft werden. Und auch Amed-Star Deniz Naki sollte fehlen. Er wurde mit 12 (!) Spielen Sperre belegt, wegen Äußerungen auf Facebook. Soziale Medien feierten die Strafen und eine in der Türkei einmalige Solidarität setzte mit Fenerbahce ein. Sogar Galatasaray-Fans stellten sich auf Fener-Seite, selbst bei Europa-Pokalspielen undenkbar, und stilisierten die Begegnung zu einem Match zwischen der Türkei und Kurdistan.

Fair-Play Symbolik


All dieser Atmosphäre zum Trotz setzten beide Klubs auf Symbole und demonstrierten damit Deeskalation. Aziz Yidirim, langzeit Präsident von Fener, lobte sogar entgegen dem öffentlichen Trend die sportliche Leistung von Amed: „ Wir müssen dem Team von Amed Sportif Faaliyetler gratulieren, das sie es im Pokal unter die letzten Acht geschafft haben. Dass ein Team aus der 2. Liga (respektive 3. Liga) es unter diesen Widrigkeiten bis hierin gebracht hat ist eine gute Sache.“ Und die Symbolpolitik setzte sich auch am Spieltag fort. Fenerbahçe wurde vom Frauenteam aus Diyarbakır mit weißen Nelken empfangen. In den gesamten 90 Minuten begegneten sich die Spieler auf dem Platz vor leeren Rängen mit demonstrativem Respekt. Sobald ein Spieler fiel, oder nach einem Zweikampf am Boden blieb, kümmerte sich der Gegenspieler, reichte die Hand oder zeigte sonstig körperliche Nähe. Dabei wurde die Begegnung äußerst ernst geführt und war ein ansehnlicher Pokalfight auf  einem Dritt-Liga Ground. Wobei Amed sogar zweimal in Führung lag gegen den Süperligisten. 1:0 und 3:2. Passend zum Fair-Play auf dem Rasen endete die Partie dann 3:3. Und auch nachdem Spiel wieder demonstrative Handshakes.


Empfang mit Blumen

Wie hieß nochmal der Klub?


Symbole bestimmten auch das Umfeld der Begegnung. Amed Spieler liefen ins Stadion ein mit einem Transparent und dem umstrittenen Slogan „ Die Kinder sollen nicht sterben, sie sollen zum Spiel kommen.“ Ein Slogan der von Amed-Fans gerufen wird. Doch in der aufgeheizten Stimmung im Lande, wird dieser peacige Slogan in türkischer Lesart als Unterstützung für die PKK angesehen. Da die PKK glauben machen möchte, dass Kinder vom türkischen Militär erschossen würden, somit würde dieser Slogan deren Propaganda wiedergeben. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich für das Transpi nun die nächste Strafe des Verbandes anbahnen täte. Gleich nach dem Anpfiff das nächste Symbol. Fener im Ballbesitz und Amen reagiert nicht. Alle Spieler bleiben 30 Sekunden stehen. Damit sollte gegen das Zusauerverbot demonstriert werden und irgendwie hat  Fener dabei mit gespielt. Den Ball in den eigenen Reihen gehalten und nach knapp 30 Sekunden ins Aus befördert. 
Und auch auf den Rängen herrschte Symbolpolitik.  Die leeren Sitzreihen wurden mit riesigen Planen überspannt, auf denen hunderte von Fans zu sehen waren. So hatte zu mindestens das Oval ein bißchen Viertelfinalcharakter. Symbolisch für die Situation in Diyarbakır dann auch, das anstatt von Fangesängen alle paar Minuten der Sound von fliegenden F-16 Kampfjets über dem Stadion zu hören waren. So laut, das auch die Live-Reporter vom regierungsnahen Sender a-haber darauf hinwiesen und sich bei den Zuschauern entschuldigten, dass sie dadurch manchmal wohl nicht zu verstehen seien. Wie schwierig der Umgang mit Symbolen dann in der Türkei 2016 ist bewieß dann auch erneut das Live Kommentatoren-Team.  Bis zu 37. Minute nannten sie Amed SF zumeist  Amedspor, das ist jedoch der Name des Klubs der vom Verband nicht genehmigt wurde. Amed Sporf Faaliyetler ist der Kompromiss des Verbands. In der genannten 37. Minute erkundigte sich der Kommentator bei offen gelassenen Mikro dann hörbar bei seiner Redaktion: „ Also wir sollen Amed Sportif sagen?“ Danach versuchten beide Reporter den offiziellen Namen zu nutzen. Doch Amedspor schien auch ihnen einfach leichter über die Zunge zu gehen.


Transpi: „ Die Kinder sollen nicht sterben, sie sollen zum Spiel kommen.“


Mit dem gezeigten Fair-Play haben Fenerbahce und Amed SF Druck aus dem Kessel im Land genommen, wichtig auch im Vorfeld des Rückspiels Anfang März in Istanbul. Ob, jedoch auch Fans vom Amed das Spiel live im Stadion erleben können, bleibt fraglich. Ein komplettes Gäste-Fan Verbot ist in der Türkei bei Risiko-Spielen gang und gäbe. Das würde Fener-Boss Aziz Yildirim wohl nicht freuen, schließlich kommt er auch aus Diyarbakır.


Dienstag, 2. Februar 2016

Naki ballert 3.Ligist ins Viertelfinale

Deniz Naki und sein Klub Amed Sportif Faaliyetler sorgen mit dem Einzug ins Viertelfinale des türkischen Pokals für eine sportliche Sensation. Als einziger Nicht-Süperligist schafften sie die Qualifikation. Nun bescherte die Auslosung fürs Viertelfinale ein Hammerlos. Nächste Woche trifft der Klub aus Diyarbakir auf den Serienmeister Fenerbahçe.

Der türkische Pokal führt in der Türkei, trotz regelmäßiger Modi-Änderungen ein Schattendasein. Die Spiele der Pokalrunde finden zu meist vor leeren Rängen statt und das obwohl das zuschauerhemmende elektronische E-Ticket, Passolig, hier keine Gültigkeit hat. Mit dem Einzug des Drittligisten Amed Spor Faaliyetler hat der Pokal nun jedoch seine Sensation. Deniz Naki feiert mit seinem Klub, den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte. Zudem ist der Einzug des Drittligisten als einziger Klub aus dem Osten des Landes auch ein Politikum.

Alter Klub mit neuem Namen


Seit Anfang der Saison ist die St. Pauli Ikone in Diyarbakır am Start und mit Amed Sportif Faaliyetler hat er bei einem Klub angeheuert, der wie kaum ein anderer in der Türkei polarisiert.  Allein die Namensgebung ist ein Politikum. Zum Zeitpunkt seines Wechsels hieß der Klub zwar noch schlicht Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor (Verein der Großstadt Diyarbakır). Der Namenszusatz Belediye zeugt davon, dass der Verein einer Stadtverwaltung oder hier einer Großstadtverwaltung gehört (siehe Deniz Naki ist zurück ). Das ist nicht ungewöhnlich in der Türkei, wo viele Vereine von Stadtverwaltungen geleitet werden.  Eine Art des öffentlich-rechtlichen Fußballs. Ebenso nicht ungewöhnlich ist, dass dann die jeweiligen Stadtverwaltungen auch ihre politischen Einstellungen in die Vereinspolitik der Vereine einfließen lassen. Die Stadtverwaltung in Diyarbakir wird z.B. durch die linke Partei HDP dominiert. Die HDP ist die Partei der kurdischen Bewegung und besonders im Osten des Landes stark. So ist auch die aktuelle Umbenennung von Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor in Amed Sportif Faaliyetler nur in dem Kontext des türkisch-kurdischen Konflikts zu verstehen. Denn Amed ist der kurdische Name für Diyarbakır. Ganz so leicht ging der Namenswechsel dann nicht von statten. Anträge beim Verband wurden abgelehnt, Widersprüche eingelegt. Nach Verpflichtung von Deniz Naki wurde jedoch eine Einigung erzielt und ein neuer genehmigter Name für Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor präsentiert: Amed Sportif Faaliyetler (Amed sportliche Aktivitäten). Verein und Fans halten jedoch inoffiziell an dem eigentlichen Wunschnamen Amedspor fest. Die offizielle Homepage ist unter amedspor.com.tr registriert und auf der Page nennt man sich auch so. Mit dem Namen, der vom Verband abgelehnt wurde. Ein Politikum weiterhin.

Namensstreit: Offiziell Amed Sportif Faaliyetler, nennt sich der Klub selbst Amedspor

  
Für ein Politikum hätte es dabei einer Namensänderung gar nicht bedurft. Wurden in den letzten Jahrzehnten doch schon zuvor Teams aus dem Osten, trotz türkischen Vereinsnamens oft Ziel von nationalistischen motivierten Fananfeindungen. Auftritte des heute nicht mehr existenten Klubs Diyarbakırspor gerieten in der Süperlig zuweilen zu einem Spießrutenlaufen. Klubs aus dem Osten des Landes werden von vielen Stadiongängern im Westen des Landes flugs mit der PKK gleich gesetzt und Fans und Spieler der Klubs aus dem Osten dementsprechend angefeindet. Mit dem erneuten Entflammen von militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und PKK nahen Gruppen im Sommer 2015 war abzusehen, dass dies sich auch im Fußball widerspiegeln würde. Dadurch das Teams aus dem Osten z.Zt. nur unterklassig vertreten sind, spielte sich dieser Konflikt jedoch außerhalb des Blickfeldes der Öffentlichkeit ab. Mit dem aktuellen sportlichen Erfolg von Amed wurde die prekäre Situation sichtbar.

Der Weg ins Viertelfinale


Amed qualifizierte sich eindrucksvoll. Ungeschlagen in allen bisherigen acht Partien des Wettbewerbes, sowohl in der KO-Runde, als auch in den Gruppenspielen. Im letzten Gruppenspiel der Gruppe A traf Amed dann auf den Süperligisten Başakşehirspor. Im Hinspiel trennten sich beide Teams 3:3. Und es ging im Rückspiel um den Gruppensieg. Mit einem Sieg wäre Amed Spitzenreiter geworden und hätte im Achtelfinale eine vermeintlich leichteren Gegner bekommen. Der Gegner, Başakşehir aus Istanbul, ist ebenfalls ein Verein der einer Stadtverwaltung zu geordnet ist. Hier ist es die Regierungspartei AKP die den Verein lenkt. Amed führte dann im entscheidenden Duell Ende Januar schnell mit 2:0. Erst in den Schlußminuten gelang den Gastgebern durch den ehemaligen Nationalspieler Semih Şentürk der 2:2 Ausgleich. Dieser zelebrierte seinen Torjubel und die Freude über den Gruppensieg mit einem Soldatengruß vor der Kurve der Amed-Fans. Für Şentürk eine Solidaritätserklärung an die Soldaten der türkischen Armee, die z.Zt. unter vielen Opfern im Zuge der Auseinandersetzung mit PKK nahen Gruppen zu leiden hat. Für viele Amed-Fans jedoch eine Provokation, die sich in eine Atmosphäre von Anfeindungen fügte. Die Folge Empörung im Amed-Block. Polizeieinsatz und Festnahmen. Das Şentürk selbst seinen Militärdienst nicht abgeleistet hat, ist dann nur noch eine paradoxe Randnotiz.

Zusammenfassung Başakşehir - Amed Sportif Faaliyetler 2:2


Im Achtelfinale wartete dann das Gastspiel am Sonntag bei Bursaspor. In die aufgeheizte sportliche und politische Atmosphäre platzte eine Internetankündigung von Bursaspor-Fans in der verbal scharf gegen Fans von Amed geschossen wurde. Der Verband reagierte zügig und verhängte ein Gästefanverbot. Amed spielte zwar zuvor noch nie in Bursa, doch bei den Fans von Bursa sind die Ereignisse aus den Spielen mit dem ehemaligen Klub Diyarbakırspor noch omnipräsent. In der Saison 2009/2010 gab es zuerst Auseinandersetzungen auf den Rängen in Bursa. Beim Rückspiel in Diyarbakır, ausgetragen ohne Gästefans, wurden Spieler und Funktionäre von Bursa dann angegriffen. Das Spiel musste abgebrochen werden und nachträgliche wurde es für Bursa gewertet. All dies wurde nun auch im Vorfeld auf Amed projiziert. Trotz der Nicht-Anwesenheit von Amed-Fans in Bursa kam es am Sonntag im Stadion dann immer wieder zu Tumulten auf den Tribünen. Einzelne Bursa-Fans machten Jagd auf vermeintliche ins Stadion gelangte Amed-Fans. Trotz der fehlenden Fan-Unterstützung und der feindlichen Stimmung gelang Amed die sportliche Sensation. Mit 2:1 wurde Bursa geschlagen. Das 2:0 durch Deniz Naki besiegelte schon frühzeitig das Aus von Bursa. Amed war spielerisch und kämpferisch nicht beizukommen. Der Anschlußtreffer viel auch erst in den Schlußminuten. Die erste Niederlage für Bursaspor im gerade erst eingeweihten neuen Stadion ließ keine Freude aufkommen. In Diyabakir hingegen feierten kurz nach Spielende hunderte von Fans dann die Sensation, bis die Polizei eingriff und wegen Slogans für die PKK die Feierlichkeiten mit Tränengas und Wasserwerfern auflöste.

Zusammenfassung Bursaspor - Amed Sportif Faaliyetler 2:2

Die Begegnung zwischen Bursaspor und Amed wurde so schon im Vorfeld zu etwas wie einem nationalen Länderspiel hochstilisiert. Fans aus dem ganzen Land solidarisierten sich mit Bursa, gegen die PKK und kurdische militante Separatisten. Auch der Sprecher des übertragenden Senders konnte seine Sympathien kaum verheimlichen. Zwischendurch betitelte er, das Team von Amed sogar nur als „onlar“, also die anderen. Kein Wunder, dass die Fans im Stadion auch brutale Fouls an Amed-Spielern dann fast schon frenetisch abfeierten und sich im Stadion viele Türkei-Fahnen fanden, sowie wie bei National-Spielen „Türkiye, Türkiye“ durch das Rund hallten. Auch nur eine Randnotiz, das in der Startelf bei Bursaspor acht Ausländer standen, hingegen bei Amed ausschließlich Spieler aus der Türkei.  Das die Wahrnehmung und Zuschreibungen gegenüber Amed Spor Faaliyetler jedoch nicht nur einseitig sind, zeigt auch die Art und Weise wie die Fans selbst im Vorfeld des Achtelfinales warben. Auf unzähligen Twitter-Accounts, die auf dem ersten Blick wie Vereinsaccounts wirken, aber nur Fanaccounts sind, wurde unter dem Hashtag ‪#HalkınİçinSaldırAmedspor (Greife an für das Volk) fleißig ethnisiert.

Deniz Naki bleibt Deniz


In einem Klub, der sich politisch so wo weit aus dem Fenster hängt wie Amed fühlt sich Deniz Naki gut aufgenommen. Kaum verwunderlich, das er nach seinem Treffer auch verbal und per Ikonen-Geste nachlegt. Sein Tattoo „Azadi“ am Unteram wurde zum Symbol des Erfolges und des Kampfes seines Klubs. „Azadi“ ist Kurdisch und heißt Freiheit. Mit einer kämpferischen und politischen Erklärung über Facebook widmet der ehemalige Kiezkicker seinen Treffer und den Sieg dann auch den Opfern der Auseinandersetzungen im Osten des Landes.

Deniz Naki widmet den Sieg den Opfern der Auseinandersetzungen im Osten des Landes

 


Fenerbahçe kommt


Doch der sportliche Höhenflug, des in der 3. Liga nur auf Platz 8 stehenden Klubs könnte nun schnell vorbei sein. Obwohl das Team Qualität gegen die Süperligisten Başakşehir und Bursaspor eindrucksvoll bewiesen hat, wird dem Newcomer gegen Fenerbahçe kaum eine Chance eingeräumt. Und auch hier steht neben dem sportlichen plötzlich auch eine politische Note auf dem Platz. Wie werden die Fans von Fenerbahçe in dieser aufgeheizten Atmosphäre im Land reagieren? Schon jetzt gibt es im Internet Aufrufe von Fangruppen landesweit Fenerbahçe gegen Amed zu unterstützen. Auch von den verhassten Galatasaray-Fans.  

Zuschauerverbot


Und der Verband reagierte schnell. Knapp 3 Stunden nach Auslosung der Pokalpartie, bestrafte der Verband Amed mit einem Spiel vor leeren Rängen. Und dies soll das Spiel gegen Fener sein. Grund: Das Verhalten der Fans beim Gastspiel bei Başakşehir. Und auch Deniz Naki wird wohl nicht dabei sein, denn seine Äußerungen per Facebook wurden vom Verband moniert. Ein Disziplinarverfahren aufgrund von Veröffentlichungen entgegen der Fairness und wegen separatistischer und ideologischer Propaganda wurde eingeleitet.

Das im März dann beim Rückspiel Fans von Amed bei Fenerbahçe erscheinen dürfen scheint zudem aussichtslos. Die Auseinandersetzungen im Osten des Landes haben für derart viel Sprengstoff im ganzen Land gesorgt, das eine ordnungsgemäße Durchführung eines Spiels dieserart kaum noch möglich erscheint. Erschreckende Parallelen tun sich auf zu dem Beginn des Bürgerkrieges in Jugoslawien, auch dort spielten Fanauseinandersetzungen mit Hintergrund des ethnischen Backgrounds eine gesellschaftlich eskalierende Rolle.

Viertelfinale auf einen Blick


Medipol Başakşehir - Çaykur Rizespor 

Akhisar Belediyespor - Galatasaray 

Beşiktaş - Torku Konyaspor 

Amed Sportif Faaliyetler - Fenerbahçe

Alle Spiele werden mit Hin- und Rückspiel ausgetragen. Im Halbfinale treffen dann die Sieger aus Medipol Başakşehir-Çaykur Rizespor und Akhisar Belediyespor-Galatasaray, sowie von Beşiktaş-Torku Konyaspor und Amed Sportif Faaliyetler-Fenerbahçe aufeinander. Die Hinspiele des Viertefinales sind für den 9.,10. und 11. Februar angesetzt. Die Rückspiel für den 1., 2. und 3. März. Die Halfinals finden Mitte April und Anfang Mai statt. Das Finale wird am 25. Mai in Antalya in der neuen Solar-Arena ausgetragen. (siehe Antalya-Arena: Sonnenstadion in der Touri-HochburgZu allen Spielen des türkischen Pokals können Tickets auch ohne Passolig-System erworben werden. Eine Möglichkeit für Touristen und Groundhopper auch mal ein Spiel in der Türkei zu erleben. 


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Deniz Naki ist zurück



Aktuelles zu Fenerbahçe vs. Amed auf Twitter




Dienstag, 11. August 2015

Deniz Naki ist zurück

Der 26-jährige Ex-St. Paulianer ist zurück. Nein, nicht beim Kiezclub oder einem anderen bundesdeutschen Club. Nach seiner abrupten Trennung im letzten Winter vom Süperligisten Gençlerbirliği (s. Reaktionen auf den Angriff auf Deniz Naki ) ist der Stürmer überraschend wieder zurück in der Türkei. Spielen wird er in der Millionenmetropole Diyarbakır im Osten des Landes.

Profilfoto von Deniz Nakis offiziellem Facabook-Account

Zuerst vermeldete sein neuer Klub Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor den Transfer auf seiner Homepage, ehe die Nachricht auch die letzten Tage auf Deutsch kursierte. Für Verwirrung sorgten dabei der Name des neuen Klubs und die Spielklasse.

Hintergrund dessen ist eine Umbenennung von Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor in Amedspor. Nicht die erste Namensänderung des 1972 gegründeten Klubs. Zuerst firmierte der Klub unter Melikahmet Turanspor, wurde dann in Melikahmetspor umbenannt, ehe die Stadtverwaltung Diyarbakırs den Verein kaufte und in Diyarbakır Belediyespor umbenannte. Durchaus üblich in der Türkei, die vielen Klubs mit dem Wort „Belediye“ für Stadtverwaltung zeugen davon. Nachdem 1993 die Stadt Diyarbakır zur Großstadt ernannt wurde bekam er den Zusatz Büyüksehir Belediyepspor unter dem er zuletzt auch antrat.

Im Oktober 2014 beschloß die Hauptversammlung des Vereins erneut eine Namensänderung. Kurz und knapp Amedspor sollte der Verein heißen. Doch das kurdische Wort Amed für Diyarbakır wurde in Kombination mit „Spor“ vom türkischen Fußballverband (TFF) im Juli 2015 nicht genehmigt. Grund hierfür sei ein Amateurverein mit gleichen Namen. Und die Verbandsstatuten verbieten die Doppelnutzung eines Namens. Der Verein Amedspor hatte jedoch schon 2014 seinen Namen in Amidaspor geändert, daraufhin bewarb sich Diyarbakır auch um die Namensrechte beim örtlichen Vereinsregisteramt, welche ihm auch gewährt wurden. Aufgrund der frischen Entscheidung des TFF, darf der Klub, nun nicht unter seinem selbstgewählten Namen auflaufen. Als Alternative wurde Amed SK (in etwa Verein für Leibesübungen) ins Gespräch gebracht. Doch das neue Amedspor möchte an den ausgewählten Namen festhalten. „Wir werden damit fortfahren den Namen überall zu benutzen“ kündigte Vorstandsmitglied Soran Haldi Mizrak gegenüber Eurosport an. Und so begegnen dem Besucher der Vereinshomepage weiterhin, zwar unter alter Adresse http://www.Diyarbakırbuyuksehirbelediyespor.com, das neue Logo und der neue Klubname: Amedspor Kulübü.

Die Zweite ist die Dritte

Beheimatet ist der Klub aus Diyarbakır in der sogenannten „2. Lig“ des TFF. Doch in der Türkei orientiert sich die Namensgebung der Ligen am englischen System. Die „Süperlig“ ist die erste Liga. Darauf folgt die „PTT 1.Lig“ genannte zweithöchste Spielklasse. Die dritthöchste Spielklasse bildet die zweigleisige „2.Lig“. Die dreigleisige „3.Lig“ bildet den Unterbau des türkischen Profifußballs. Somit ist Deniz Nakis neuer Klub im Gegensatz zur Meldung deutschsprachiger Medien nur namentlich ein „Zweitligist“, sportlich spielt Diyarbakır in der Dritten Liga. Die Verpflichtung des ehemaligen bundesdeutschen Jugendauswahlspielers ist für einen Drittligisten spektakulär.

In Diyarbakır wird auf Deniz gezählt. Naki soll nicht nur auf dem Platz für Wirbel sorgen. Im Team soll er die Rolle des großen Bruder einnehmen, der Klub als ganzes soll von der Verpflichtung profitieren. Eine neue Aufgabe die passen könnte. Denn Deniz kann sich auf Rückhalt aus seinem neuen Verein sicher sein. Probleme wegen seiner türkisch-kurdischen-alevitischen Identität wird es im Verein oder im Umfeld nicht geben. Und auch seine politischen Statements gegen Rassismus oder aktuell zum Kampf der Kurden gegen Isis in Syrien und Irak werden in der zumeist von Kurden bewohnten Stadt eher Sympathie Punkte einbringen. Ein stärkendes Umfeld und die neue Herausforderung die Rolle als Leitfigur zu übernehmen helfen Deniz nach der langen Spielpause ein Comeback zu wagen. Ein Mitmischen im Aufstiegskampf mit Toren von Deniz Naki wäre ein sportliches Signal, - auch in der dritten türkischen Liga.

Comeback mit Hindernissen


Zu leicht wird ihm sein Comeback nicht gemacht werden. Bei einem Klub in der Türkei zu spielen der das Wort „Diyarbakır “ im Namen trägt macht einen zur Zielscheibe von türkischen Nationalisten. So hatte der Süperligist Diyarbakırspor mit rassistischen Anfeindungen Anfang der 2000er Jahre zu kämpfen, die mit ausschlaggebend für die Schließung des Klubs 2013 waren. Der Nachfolgeklub bestritt in der Saison 2014-15 seine Ligaspiele in der Vierten Liga, wurde aber bei seinen Spielen wiederholt Ziel gewalttätiger Angriffe. Zuletzt dachten die Vereinschefs öffentlich über einen Rückzug aus dem Spielbetreib nach und forderten weitere kurdisch geprägte Vereine im Osten der Türkei auf eine eigene Liga zu gründen. Davon wurde zwar nun abgesehen, doch ist angesichts der aktuellen Zuspitzung im türkisch-kurdischen Konflikt davon auszugehen das sich in der neuen Spielzeit zumindestens ähnliche Szenen wiederholen. Opfer könnte auch Deniz Nakis Klub werden. Liga-Begegnungen mit Vereinen wie dem Istanbuler Klub Fatih Karagümrük, mit einer religiösen-nationalistischen Fanbase bergen gefährliches Potential. So kommt auf Deniz nicht nur eine Bewährungsprobe auf dem Platz und mit neuen Aufgaben zu. Sein Intellekt und sein Engagement wird auch außerhalb des Fußballplatzes gefordert sein.

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