Mittwoch, 15. Juli 2015

Die Zukunft gehört den Frauen

Spektakuläre Tore, Emotionen, starkes Zuschauerinteresse gepaart mit professioneller Medienaufbereitung begleiteten die Fußball WM 2015 in Canada. Die WM für Frauen gilt neben dem sportlichen Wettbewerb, weiterhin als größte Werbeveranstaltung in der größten Wachstumsbranche des Fußballs, dem Frauenfußball.

Logo der Fifa-WM 2015 in Canada

Anhaltender Boom

Die Ziele des bundesdeutschen Nationalteams standen in der heimischen Presse im Vordergrund. Ein Sieg des Teams um Sylvia Neid hätte dem Lande des Weltmeisters von 2014 gut zu Gesicht gestanden. Getreu dem Motto: Die Männer machen es vor, die Frauen nach. Und damit hätte die Frauenauswahl die Bundesrepublik als Mekka des Fußballs betoniert. Doch das Team von Sylvia Neid kam schon früh im Turnierverlauf an ihre Grenzen. Taktisch, spielerisch und auch konditionell haben viele Teams aufgeholt. Und der erreichte vierte Platz ist dann sogar eher schmeichelhaft. Denn Frauenfußball boomt längst nicht nur in den klassischen Länderverbänden wie Deutschland, den USA, Norwegen, Japan oder China. Auf der ganzen Welt sind die Wachstumsraten beim Frauenfußball weiterhin immens. In Europa hat sich die Zahl der registrierten Fußballerinnen seit 1985 verfünffacht. Dieser Wachstum ist besonders in den letzten Jahren nicht nur auf die schon gut aufgestellten Verbände zurückzuführen. Die „kleinen“ Verbände im Frauenfußball holen auf. Allein in der Schweiz verdreifachte sich die Anzahl der Aktiven in den letzten sieben Jahren. Heute sind europaweit über 1,2 Millionen Frauen im Fußballsport aktiv. Zudem wächst die Zuwachskurve schneller als je zuvor. Dazu wächst stetig die Anzahl derer, die auch nach dem 18. Geburtstag am Fußballsport festhalten.

Boom-Bremsen

Doch längst haben nicht alle WM-Qualifikanten eigene Ligen in den Heimatverbänden. Dem begegnen die internationalen Verbände mit Förderung des Breitensportes einerseits, als auch mit Angeboten zur Unterstützung zum Aufbau von nationalen Ligen andererseits. Denn der Boom im Frauenfußball hat auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die von fast ausschließlich Männern geleiteten Verbände, als auch Vereine haben so ihre Probleme, nicht nur in den Personalien. In den Vereinen gelten Frauen die Fußballspielen immer noch als das fünfte Rad am Wagen. Unpassende Trainingszeiten, gepaart mit nachlässiger Behandlung der Vereinsfunktionäre und permanenten Finanzschwierigkeiten bremsen die Entwicklung. Wie schwierig sportlicher Erfolg sein kann, beweist ein aktuelles Beispiel aus Berlin. Hier ist der FC Lübars, der in Kooperation mit Hertha BSC antrat, klarer Meister in der 2. Bundesliga (Nord) geworden. Doch vom Aufstieg wurde Abstand genommen, die Finanzierung sei nicht zu stemmen. Zu allem Unglück hatte Hertha BSC schon zuvor angekündigt die Kooperation über 2016 hinaus nicht mehr zu verlängern, damit ist dem erfolgreichsten Frauenteam der Hauptstadt erst einmal der Weg verstellt. Nun wird nach Alternativen gesucht. Sogar eine Neugründung als Frauenfußballverein Berlin ist im Gespräch.

Politiker schmücken sich gerne mit Fußballern. Beim Frauenfußball sind sie jedoch sehr selten. Hier SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Frauenteam von Türkiyenmspor Berlin

Beispiele bei denen das Frauenteam auch einem sportlich schlechter bewerteten Herrenteam untergeordnet werden, gibt es allein im liberalen Berlin einige. Der ehemals insolvente Klub Tennis Borussia verlor im Zuge der Insolvenz sein erfolgreichstes Team, das Frauenteam. Und mit ihm verschwand ein Aushängeschild eines der ältesten Frauenabteilungen der Republik. Die TeBe-Frauen spielten zudem außerordentlich erfolgreich und waren mit dem ersten Team jahrelang in der 1. und 2. Bundesliga vertreten. Doch während der Insolvenz war dann Schluß, heute spielen Frauen im Verein nur noch in diversen Kleinfeldteams, die 1. Herren haben jedoch im Gegensatz die Insolvenz fast verlustfrei überstehen dürfen und konnten den Spielbetrieb in den Herren-Amateurligen fortführen. Ein weiteres aktuelles Beispiel bietet das Team des Berliner Regionalligisten Al-Dersimspor. Erst in der letzten Saison wurde es komplett abgemeldet. Hier mangelte es an der Finanzierung durch Vereinsseite, offiziell an Spielerinnen. Die sportlich unbedeutenden Herren konnten jedoch weiterhin in der Bezirksliga vor sich hinkicken. Bei soviel Widerstand der alteingesessenen Herrenriegen, ist die Selbstorganisation wie im Fall Lübars wohl ein Lösungsweg. Denn nur wenige Herrenvereine wie FC Bayern oder Wolfsburg erkennen die Chance die in einer erfolgreichen Frauen-Branche liegen. So gründen sich immer mehr ausschließlich auf Frauen orientierte Fußballvereine. Und hier könnte die Zukunft zu liegen: In der Unabhängigkeit von den Männervereinen. Der nächste Schritt wären Verbände, die sich der Situation des Frauenfußballs annehmen und das alltäglich und nicht nur auf internationalen Tagungen der Verbände. Denn in manchen Verbandspräsidien kommen Frauen heute auch gar nicht mehr vor. Mit Tanja Walther-Ahrens trat im Frühjahr 2015 die einzige Frau im Präsidium des Berliner Fußballverbandes zurück. Grund: Mißachtung der männlichen Kollegen.

Frauenfußball in Berlin: Spielszene aus der Landesliga März 2015


WM verstärkt Boom


Nach jedem fußballerischen Großereignis sei es von Frauen oder auch von Männern, bemerken Vereine einen Anstieg der an Mädchen- oder Frauenfußball-Interessierten. Und wie einerseits der Erfolg des US-Teams bei der WM folgerichtig ist, hätte andererseits ein sportlicher Erfolg sei es von Frankreich oder England mehr Synergie freisetzen können um Frauenfußball auch fernab der Hochburgen zu etablieren. Doch, das der Boom auch in den USA noch längst nicht seinen Zenit erreicht hat zeigen folgende Zahlen. Knapp 400.000 Mädchen und Frauen kicken den Ball mit dem Fuß. Damit ist der Fußball nach Baseball und Volleyball zu der drittbeliebtesten Sportart in den USA aufgestiegen. Und während die Anzahl der Sportlerinnen die Baseball spielen kontinuierlich sinkt, steigt die Anzahl der Volleyballerinnen und Fußballerinnen stetig. Der Anstieg beim Fußball ist der Höchste und wird durch den WM-Titel und der Ehre einer Konfetti-Parade in Manhattan noch rasanter werden. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit bis in den USA Fußball auch zahlenmäßig die Sportart Nummer 1 werden wird.


Und auch bei der Nummer 2 in der Fifa-Weltrangliste müssen sich eigentlich keine Sorgen gemacht werden. Auch wenn die bundesrepublikanische Elf bei der WM nur als Vierte einlief, sind hier neben den USA die meisten lizensierten Spielerinnen registriert. Dazu kommt das die Spielerinnen im Gegensatz zu den USA mit 18 Jahren nicht aufhören, der Anteil an Frauen die Fußball spielen über 18 Jahren ist in Deutschland weit höher als in den USA. So wird der Frauenfußball der BRD auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Denn die zahlenmäßig stärksten Sportverbände haben immer einen Standortvorteil. Die grundsächlichen Hemmnisse des Frauenfußball gilt es lokal und international an zu packen. Wahrnehmung, vereinsinterne Missachtung, Verbandsbenachteiligungen, schlechte Trainingsbedingungen, Finanzierung etc. etc. . Alles weite Felder und nicht zu vergessen die Berichterstatter. Denn was soll mit dem burschikosen Kunstbegriff Frauenmannschaft gemeint sein, der uns in den letzten Wochen auf ARD und ZDF um die Ohren flog?


Video und Bilder von der Ticker-Parade in Manhattan, New York, zu Ehren der WM 2015 Champions





Freitag, 3. Juli 2015

Türkei: Top 5 der Sommerpausen-Skandale

Deutschsprachige Sportmedien hatten mit der U21 EM und der Fifa-Weltmeisterschaft 2015 genug Themen um den Start der Sommerpause zu überbrücken ohne ausschließlich auf Transfergerüchte eingehen zu müssen. Türkische Medien hatten es hier um einiges schwieriger. Die etlichen Sporttageszeitungen und die boulevardesken Sportseiten der Tagespresse sind wie gewohnt gefüllt mit den abenteuerlichsten Storys aus dem Transferdschungel. Da lockern Sommerpausen-Skandale die Stimmung auf. Wir haben die Top 5 der letzten Tage zusammengefasst.

Top 5: Alkohol-Krise

Der frischgebackene Aufsteiger in die Süperlig Antalyaspor aus der Tourismus Hochburg des Landes macht vor wie man es nicht machen sollte. Eine Delegation von Vereinsverantwortlichen war unterwegs um den Transfer mit Altstar Eto´o abzuschließen. Standesgemäß in einem extra angeheuerten Flieger. Vom Flug wurden Fotos veröffentlicht, welche gut gelaunte Vereinsbosse zeigten. Doch auf einem Foto waren nicht nur fröhliche Gesichter zu sehen. Die Führungsriege saß um einen gut gedeckten Tisch. Schon ein Foto von essenden Verantwortlichen während des Fastenmonates Ramadan hätte für genug Wirbel gesorgt. Doch anscheinend stießen die glücklichen Funktionäre noch mit Sekt auf den anstehenden Deal an. Und Alkohol mitten im Ramadan ist nun mal für viele in der Türkei ein absolutes No-Go. So muss sich Antalyaspor trotz der spektakulären Verpflichtung mit scharfer Kritik auseinandersetzen. Antalyaspor sucht wohl jetzt eine/n Social-Media-BeraterIn.

Screenshot: Facebook-Seite der Sportzeitung Fanatik: Feiernde Funktionäre mit Alkohol im Ramadan?



Top 4: Fahnenkrieg

Es ist eine Tradition in Istanbul, das Fans der Meisterklubs die Bosporus-Brücke entern und nach der gewonnen Meisterschaft eine Vereinsfahne aufhängen. Früher illegal in Nacht und Nebel Aktionen auf der windigen und wackligen Brücke. Stadtverantwortliche kapitulierten jedoch schnell vor der anarchistischen Liebe der Fans zu ihren Klubs. So dürfen die Fans in Feierlaune nun schon seit Jahren mit offizieller Erlaubnis ihren Verein auf diese Weise prominent ins Stadtbild bringen. Traditionell wehten dann auch mit dem Gewinn der Meisterschaft die Farben Galatasarays von der Verbindung zwischen Europa und Asien. Doch am Mittag des 20. Juni schmückten die Farben rot und grün statt rot und gelb das Stadtsymbol. Fans des Klubs Karsiyaka aus Izmir hatten die Erlaubnis bekommen ihre Vereinsfarben zu präsentieren um die Meisterschaft im Basketball auch in der Bosporusmetropole gebührend darzustellen. 28 Jahre mussten die Fans aus Izmir auf diesen Moment warten. Und während der Fußball in Izmir sich zwar weiterhin großen Fanzuspruchs erfreut, spielen die Klubs aus der drittgrößten Stadt des Landes doch schon lange keine Rolle mehr im Erstliga-Fußball des Landes. So ist die Meisterschaft im Basketball nach dann auch für die gebeutelten Fans aus der Ägäisstadt eine Party-Höhepunkt. Des einen Freud des anderen Leid. Während die farbenmäßige Eroberung Istanbul in Izmir gefeiert wurde, waren Istanbuler Fans entsetzt über die Entweihung. Fans von Fenerbahce brachten flugs die Istanbuler Farbenwelt wieder in Ordnung. Wie früher in einer Nacht und Aktion wurde die Fahne abgeschnitten und entsorgt.

Da war die Istanbuler Sportwelt noch in Ordnung. Galatasaray Fahne hängt an der Bosphorus-Brücke


Top 3: Enes Kanter-Krise

Schon wieder Basketball: Die EM steht im September an und auch der türkische Auswahltrainer Ergin Ataman gab sein Team bekannt und die sozialen Medien liefen heiß. Enes Kanter, der bei Oklahoma City spielende NBA-Star stand erneut nicht im Aufgebot. Hintergund ist ein lange schwelender Konflikt zwischen Spieler und Verband. Wer hier wen und wann berufen oder eine Einladung ausgeschlossen hat gerät bei der Debatte schnell in den Hintergrund. Denn Enes gilt als Anhänger des religiösen Predigers Fetullah Gülen. Die Gülen-Gemeinde, steht jedoch seit bald zwei Jahren in einer politischen und juristischen Auseinandersetzung mit der türkischen Regierungspartei AKP. Die einstigen Bündnispartner diffamieren sich öffentlich auf verschiedenen Kanälen, gegen die Gemeinde läuft aktuell sogar ein Ermittlungsverfahren aufgrund des Verdachtes der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Enes Kanter meldete sich per twitter mit einer Eklärung zu Wort. Hier kritisiert er die verbandsentscheidung und macht sich sorgen um die Zukunft der Türkei. Ebenso bestreitet er ein unterstelltes Desinteresse am Auswahlteam und führt seine Nicht-Berufung auf seine Werte, an die er glaubt, als auch auf seinen politischen Standpunkt zurück. Auch wenn ihn die Türkei nicht haben will, steogt der gebürtige Züricher in den NBA-Olymp auf. Sein Klub soll ihm ein Vertragsangebot unterbreitet haben, nachdem er im Jahr 15 Millionen Dollar bekommen soll. Damit wäre er unter den Top-Verdienern der Branche, auch ohne Auswahlberufung.

Erklärung von Enes Kanter zu seiner Nicht-Berufung in die türkische Auswahl


Top 2: Hundefeind Fatih Terim?

Kaum ein Tag vergeht an dem Fatih Terim, Trainer der türkischen Fußballauswahl, nicht in den Medien seine Meinung zu Zustand und zur Zukunft des türkischen Fußballs kundtut. Doch selten wurden Fatih Terims Äußerungen in den sozialen Medien so sehr diskutiert wie dieser Tage. Nur stand nicht sein Fußballsachverstand im Diskussionsmittelpunkt. Die Beilage „Makaron“ der türkischsprachigen Tageszeitung Vatan schlagzeilte mit einer Story, in der Fatih Terim, in seinem neuem Sommerhausdomizil in Çeşme Straßenhunden den Kampf ansagt. Offensichtlich fühlte sie der Trainer von Hunden in der Umgebung gestört. So soll er zuerst Druck auf Hundehalter in der Umgebung aufgebaut haben, mit dem Ziel die Hunde entfernt von seinem Ferienhaus zu halten. Doch damit nicht genug, so soll Fatih Terim über seine Angestellten geäußert haben, dass auch die von den Nachbarn gefütterten Straßenhunde weg sollten, sonst würden sie auf der Autobahn landen. Von der Homepage der Vatan verschwand der Artikel ganz schnell nach Veröffentlichung und fand über nur die gedruckte Ausgabe und soziale Medien seine Verbreitung. Tierfreunde im ganzen protestierten. Der Autor Öncel Özicer reagierte auf die Zensur seines Arbeitgebers per twitter und bekundete hinter dem Artikel zu stehen und verbürgte sich für seinen Wahrheitsgehalt. Fatih Terim hingegen meldete sich über die Tageszeitung Hürriyet zu Wort und stritt alle Vorwürfe vehement ab.

Foto der Printausgabe von "Makaron" und der Titelgeschichte um angebliche Hundefeindliche Äußerungen von Fatih Terim.


Top 1: Der Prozeß

Ein richtiger Skandal befindet sich auf Top 1. Ein Skandal der sowohl Sportmedien, als auch politische Medien im In- und Ausland beschäftigt. Der Prozeß gegen Çarşı, die größte Fangruppe von Beşiktaş Istanbul, aufgrund von Putschvorwürfen und Terrorverdächtigungen, ist nicht nur in seiner Ausrichtung einmalig. Auf solche Art stigmatisierte Fangruppen sind wohl hauptsächlich aus Ägypten bekannt. Skandalträchtig ist nicht nur das Verfahren an sich: Anklageschrift, Zeugenaussagen und Richterwechsel sind auch für das arg strapazierte türkische Rechtssystem in der Häufigkeit außergewöhnlich. Nun fand die 3. Sitzung des Verfahrens am letzten Freitag statt. Und nach zehn Minuten hatte der Skandalprozess, seinen nächsten Skandal. Denn das Verfahren wurde erneut flugs vertagt. Verwunderung bei allen Beteiligten, doch die Fans lassen sich wohl nicht unterkriegen. Der Berliner Prozeßbeobachter, Bundestagsabgeordneter Özcan Mutlu, fasste seine Eindrücke auf twitter zusammen und postete ein Kurzvideo vom Auszug der singenden Fangruppe aus dem Gerichtsgebäude.