Mit
dem Abschneiden der Piraten Partei bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen
wurde einmal mehr deutlich wie schwer das Leben eines Piraten ist. Dabei haben
die politischen Freibeuter es vergleichsweise mit Luxusproblemen zu tun.
Weltweit agierende Produktpiraten leben nicht nur mit einem Bein im Knast sondern
müssen sich auch permanent an die Designer der großen Firmen, die sie kopieren,
anpassen. Da kann einiges schief gehen.
Produktpiraterie
ist trotz der politischen Ächtung beliebt. Schnell lässt sich für wenig Geld,
die teure Uhr, die exklusive Handtasche im Internet bestellen. Auch auf Straßenmärkten
winken die vermeintlichen Schnäppchen und das obwohl Polizei, Medien und
Politik immer auf die Gefahren von möglichen Strafen auch für die Käufer bis zu
gesundheitlichen Schäden hinweisen. Doch die Produktpiraten sind nicht tot zu
kriegen. Auch der Sportbekleidungsmarkt leidet unter den Angriffen der
Textil-Freibeuter. Kaum ein Produkt der großen Firmen wie Adidas, Nike und
Puma, welches nicht auf dem Schwarzmarkt, teilweise in erstaunlich guter
Qualität auftaucht. Die Schäden die den original Herstellern allein in
Deutschland entstehen werden nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und
Handelskammertages auf 50 Milliarden Euro geschätzt.
Original, Fake und Funfake
Produktpiraten
müssen dabei auf einen komplett eigenen Produktions- und Vertriebsweg
zurückgreifen. Eine Form der organisierten Kriminalität. Bei Textil Produkten
fällt neben China auch immer der Name der Türkei. Fast jeder Türkei-Urlauber kann
davon berichten, dass beim Schlendern über Märkte in Istanbul oder in den
Touri-Zentren von Antalya und Alanya offensichtlich gefälschte Produkte
angeboten werden. Zu Preisen, bei denen es schwer fällt Nein zu sagen. Zu dem
wenn die Qualität der Produkte denen des Originals immer öfter in nichts nach
stehen.
Das
Angebot der Produktpiraten in der Türkei lässt sich dabei in drei Gruppen
gliedern. In einer Grauzone befinden sich Originalprodukte, die auf den Märkten
des Landes angeboten werden. Denn die Textilherstellung in der Türkei ist ein
wichtiger wirtschaftlicher Motor im Land. Allein 2015 wurde durch Importe der
legalen Textilbranche, nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums der Türkei, ein
Umsatz von fast 25 Milliarden US Dollar erzielt. Somit macht die Branche 17%
des gesamten Export Volumens der Türkei aus. Dabei hat die Textilverarbeitung
in der Türkei Tradition, die Anbieter liefern qualitativ hochwertige Ware und
produzieren ganz legal für weltweit agierende Firmen, auch im Sportbereich für
Adidas, Puma oder Nike. Auch viele Fußballvereine sind dazu übergegangen ihren
eigenen Merchandising-Stuff zu produzieren und auch hier kommt die Türkei ins
Spiel. So werden Fanutensilien für Bayern, Dortmund, Schalke und Co. längst in
der Türkei hergestellt ehe sie in den bundesdeutschen Arenen ihre Fans finden.
Aufmerksame Besucher der Wochenmärkte in den Textilzentren Istanbul und Bursa
bemerken die regelmäßige Schwemme von Merch-Stuff der Bundesliga Klubs. Und so
sind diese Produkte, die dann für ein paar Lira auf den Märkten als billige
modische Kleidungsalternative über den Tisch gehen, genau genommen keine
Piraterie-Produkte. Bei der Herstellung für die Abnehmer im fernen Deutschland
wird die Qualität gecheckt und Produkte mit leichten Mängeln landen flugs auf
den Märkten der Umgebung. Deshalb nicht wundern, wenn ganze Schwärme von Jugendlichen
in den Vororten der türkischen Großstädte zu mindestens äußerlich auf einmal zu
Schalke oder Köln Fans mutieren. Es handelt sich hierbei nur um Kinder
preisbewusster Eltern, die billig für Europa produzierte Ware abstauben. Die
Mängel der Waren sind dabei erst auf den zweiten oder dritten Blick zu
erkennen.
T-Shirt Rücken Aufdruck: Hier ist wohl jemand Inter-Fan |
Die Touri-Falle
Den
weitaus größten Teil der Piratenprodukte findet man ebenfalls auf den
Wochenmärkten der Großstädte, aber auch auf den gut sortierten und schön zu
recht gemachten festen Verkaufsständen in den Touristen-Gebieten im Süden des
Landes. Hier sind echte Piraten am Werke. Die Produkte werden eins zu eins
kopiert, dabei gibt es qualitative Unterschiede, manche Kopien sind auch für
Fachleute kaum noch vom Original zu unterscheiden. Der Preis des
Adidas-Sweaters gibt dabei am ehesten Aufschluss über die Echtheit der Ware.
Die Hersteller dieser Produkte sind zumeist Firmen, die schon seit Jahren im
Business sind und ihr Know-How einsetzen um möglichst gute Kopien herzustellen.
Die Erfahrung aus Jahrzehnte langer Produktion für Europa kann da sehr
hilfreich sein. Skurril wird es dann, wenn europäische Zollbeamte vermeintliche
Piraterie-Produkte an den europäischen Grenzen beschlagnahmen, obwohl es sich
dabei um Originale handelt. Die Geschichte eines Galatasaray-Fans der zur
Europameisterschaft nach Frankreich mit einem Gala-Trikot wollte war eine
beliebte Story, die die Hilflosigkeit der Beamten im Kampf gegen
Produktpiraterie vor Augen führte. ( siehe: EM-Reisende aufgepaßt! )
Vereinslogo ist ein Muß, oder? |
Mit Phantasie
Die
dritte Kategorie der Produktpiraten ist die interessanteste. Hierbei handelt es
sich um „ Merdiven altı“ Produkte. Auf Deutsch: Produkte die unter Treppen hergestellt wurden.
Damit werden Firmen, die sich in kleinen Klitschen eingerichtet haben
beschrieben. Schon die Produktionsstätten sind zumeist illegal. Die Inhaber
besitzen wenig Erfahrung in der Branche und spezialisieren sich ganz auf
Billigprodukte. Die Qualitätsunterschiede zum Original sind hierbei
offensichtlich. Schon an den Logos wird der Schwindel klar. Ausfransungen,
schiefe Buchstaben und sehr rudimentäre Verarbeitung fallen ins Auge. In den
Merdiven-altı Fabriken arbeiten zumeist sehr junge Arbeiterinnen ohne jegliche
Ausbildung an veralteten Maschinen bis zu 16 Stunden am Tag. Qualitätskontrolle
gibt es hier nicht. So sind auch oft die Produktnamen fehlerhaft, da wird dann
aus Adidas, auch schon mal Adiwas. Das führt zu einem ungewollten Charme der
Produkte und macht sie zu Unikaten in der auf Marken fixierten Welt. Ein besonderes schönes Exemplar dieser
Produkte befindet sich seit geraumer Zeit auch in meinem Besitz.
Ja,
ich gestehe, ich habe gesündigt. Doch wer kann schon widerstehen bei einem
blau-weiß gestreiften Sport-Shirt. Hinten steht in großen Lettern: FC Internationale. Wann hat Inter zuletzt blau-weiß gestreift getragen? In den 70igern? Vorne ist das zugegebenermaßen etwas
entfremdete Logo von Inter aufgestickt. Und zwar so, das sich das Shirt dort immer kräuselt, da es nicht richtig aufgesetzt wurde. Abgerundet wird das Meisterstück
der Produktpiraterie des europäischen Spitzenfußballs mit einem an das Logo der italienischen Liga anmutenden Italia-Emblem am Arm. Das vorne noch ein kleines an Nike
erinnerndes Logo zu sehen ist, war wirklich nicht kaufentscheidend. Ich schwöre.
Auf den Arm, muss noch ein Logo. Mach schnell! |