Freitag, 23. September 2016

Piraten haben es schwer

Mit dem Abschneiden der Piraten Partei bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen wurde einmal mehr deutlich wie schwer das Leben eines Piraten ist. Dabei haben die politischen Freibeuter es vergleichsweise mit Luxusproblemen zu tun. Weltweit agierende Produktpiraten leben nicht nur mit einem Bein im Knast sondern müssen sich auch permanent an die Designer der großen Firmen, die sie kopieren, anpassen. Da kann einiges schief gehen.

Produktpiraterie ist trotz der politischen Ächtung beliebt. Schnell lässt sich für wenig Geld, die teure Uhr, die exklusive Handtasche im Internet bestellen. Auch auf Straßenmärkten winken die vermeintlichen Schnäppchen und das obwohl Polizei, Medien und Politik immer auf die Gefahren von möglichen Strafen auch für die Käufer bis zu gesundheitlichen Schäden hinweisen. Doch die Produktpiraten sind nicht tot zu kriegen. Auch der Sportbekleidungsmarkt leidet unter den Angriffen der Textil-Freibeuter. Kaum ein Produkt der großen Firmen wie Adidas, Nike und Puma, welches nicht auf dem Schwarzmarkt, teilweise in erstaunlich guter Qualität auftaucht. Die Schäden die den original Herstellern allein in Deutschland entstehen werden nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages auf 50 Milliarden Euro geschätzt.  

Original, Fake und Funfake


Produktpiraten müssen dabei auf einen komplett eigenen Produktions- und Vertriebsweg zurückgreifen. Eine Form der organisierten Kriminalität. Bei Textil Produkten fällt neben China auch immer der Name der Türkei. Fast jeder Türkei-Urlauber kann davon berichten, dass beim Schlendern über Märkte in Istanbul oder in den Touri-Zentren von Antalya und Alanya offensichtlich gefälschte Produkte angeboten werden. Zu Preisen, bei denen es schwer fällt Nein zu sagen. Zu dem wenn die Qualität der Produkte denen des Originals immer öfter in nichts nach stehen.


Das Angebot der Produktpiraten in der Türkei lässt sich dabei in drei Gruppen gliedern. In einer Grauzone befinden sich Originalprodukte, die auf den Märkten des Landes angeboten werden. Denn die Textilherstellung in der Türkei ist ein wichtiger wirtschaftlicher Motor im Land. Allein 2015 wurde durch Importe der legalen Textilbranche, nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums der Türkei, ein Umsatz von fast 25 Milliarden US Dollar erzielt. Somit macht die Branche 17% des gesamten Export Volumens der Türkei aus. Dabei hat die Textilverarbeitung in der Türkei Tradition, die Anbieter liefern qualitativ hochwertige Ware und produzieren ganz legal für weltweit agierende Firmen, auch im Sportbereich für Adidas, Puma oder Nike. Auch viele Fußballvereine sind dazu übergegangen ihren eigenen Merchandising-Stuff zu produzieren und auch hier kommt die Türkei ins Spiel. So werden Fanutensilien für Bayern, Dortmund, Schalke und Co. längst in der Türkei hergestellt ehe sie in den bundesdeutschen Arenen ihre Fans finden. Aufmerksame Besucher der Wochenmärkte in den Textilzentren Istanbul und Bursa bemerken die regelmäßige Schwemme von Merch-Stuff der Bundesliga Klubs. Und so sind diese Produkte, die dann für ein paar Lira auf den Märkten als billige modische Kleidungsalternative über den Tisch gehen, genau genommen keine Piraterie-Produkte. Bei der Herstellung für die Abnehmer im fernen Deutschland wird die Qualität gecheckt und Produkte mit leichten Mängeln landen flugs auf den Märkten der Umgebung. Deshalb nicht wundern, wenn ganze Schwärme von Jugendlichen in den Vororten der türkischen Großstädte zu mindestens äußerlich auf einmal zu Schalke oder Köln Fans mutieren. Es handelt sich hierbei nur um Kinder preisbewusster Eltern, die billig für Europa produzierte Ware abstauben. Die Mängel der Waren sind dabei erst auf den zweiten oder dritten Blick zu erkennen.

T-Shirt Rücken Aufdruck: Hier ist wohl jemand Inter-Fan 


Die Touri-Falle


Den weitaus größten Teil der Piratenprodukte findet man ebenfalls auf den Wochenmärkten der Großstädte, aber auch auf den gut sortierten und schön zu recht gemachten festen Verkaufsständen in den Touristen-Gebieten im Süden des Landes. Hier sind echte Piraten am Werke. Die Produkte werden eins zu eins kopiert, dabei gibt es qualitative Unterschiede, manche Kopien sind auch für Fachleute kaum noch vom Original zu unterscheiden. Der Preis des Adidas-Sweaters gibt dabei am ehesten Aufschluss über die Echtheit der Ware. Die Hersteller dieser Produkte sind zumeist Firmen, die schon seit Jahren im Business sind und ihr Know-How einsetzen um möglichst gute Kopien herzustellen. Die Erfahrung aus Jahrzehnte langer Produktion für Europa kann da sehr hilfreich sein. Skurril wird es dann, wenn europäische Zollbeamte vermeintliche Piraterie-Produkte an den europäischen Grenzen beschlagnahmen, obwohl es sich dabei um Originale handelt. Die Geschichte eines Galatasaray-Fans der zur Europameisterschaft nach Frankreich mit einem Gala-Trikot wollte war eine beliebte Story, die die Hilflosigkeit der Beamten im Kampf gegen Produktpiraterie vor Augen führte. ( siehe: EM-Reisende aufgepaßt! )

Vereinslogo ist ein Muß, oder? 



Mit Phantasie


Die dritte Kategorie der Produktpiraten ist die interessanteste. Hierbei handelt es sich um „ Merdiven altı“ Produkte. Auf Deutsch: Produkte die unter Treppen hergestellt wurden. Damit werden Firmen, die sich in kleinen Klitschen eingerichtet haben beschrieben. Schon die Produktionsstätten sind zumeist illegal. Die Inhaber besitzen wenig Erfahrung in der Branche und spezialisieren sich ganz auf Billigprodukte. Die Qualitätsunterschiede zum Original sind hierbei offensichtlich. Schon an den Logos wird der Schwindel klar. Ausfransungen, schiefe Buchstaben und sehr rudimentäre Verarbeitung fallen ins Auge. In den Merdiven-altı Fabriken arbeiten zumeist sehr junge Arbeiterinnen ohne jegliche Ausbildung an veralteten Maschinen bis zu 16 Stunden am Tag. Qualitätskontrolle gibt es hier nicht. So sind auch oft die Produktnamen fehlerhaft, da wird dann aus Adidas, auch schon mal Adiwas. Das führt zu einem ungewollten Charme der Produkte und macht sie zu Unikaten in der auf Marken fixierten Welt.  Ein besonderes schönes Exemplar dieser Produkte befindet sich seit geraumer Zeit auch in meinem Besitz.


Ja, ich gestehe, ich habe gesündigt. Doch wer kann schon widerstehen bei einem blau-weiß gestreiften Sport-Shirt. Hinten steht in großen Lettern: FC Internationale.   Wann hat Inter zuletzt blau-weiß gestreift getragen? In den 70igern? Vorne ist das zugegebenermaßen etwas entfremdete Logo von Inter aufgestickt. Und zwar so, das sich das Shirt dort immer kräuselt, da es nicht richtig aufgesetzt wurde. Abgerundet wird das Meisterstück der Produktpiraterie des europäischen Spitzenfußballs mit einem an das Logo der italienischen Liga anmutenden Italia-Emblem am Arm. Das vorne noch ein kleines an Nike erinnerndes Logo zu sehen ist, war wirklich nicht kaufentscheidend. Ich schwöre. 

Auf den Arm, muss noch ein Logo. Mach schnell!