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Dienstag, 6. September 2016

Wandel durch Strafe

Jedes Jahr sorgt die türkische Süperlig mit prominenten Transfergeschäften für Aufmerksamkeit. Allein letzte Saison fanden Stars wie Josef de Souza, Simon Kjaer, Luis Nani, Robin van Persie, Lukas Podolski und Maro Gomez ihren Weg in die Türkei. Doch damit ist vorläufig Schluß. Die UEFA hat nicht nur Galatasaray für ein Jahr, wegen Verstoß gegen die Fair-Play Richtlinien der UEFA, von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen, sondern auch Top-Klubs wie Meister Beşiktaş und Fenerbahçe stehen unter Beobachtung. Folge: Die Transferausgaben der Süperlig sanken um fast 50% auf 47 Millionen Euro. So wenig wie seit neun Jahren nicht mehr.



Die türkische Süperlig gilt als Fußball-Mekka. Begeisternde Stimmung in den Stadien, brisante Stadtderbys, allumfassende Medienberichterstattung und verhältnismäßig hohe Gehälter machten die Liga attraktiv für Fußball-Migranten. Die Ausgaben aller Süperlig Klubs für Spieler Transfers lagen bis heute auf Top-Niveau in Europa. Doch in der Saison 2016-17 ist alles anders. Teure spektakuläre Neuverpflichtungen fehlen. Mit nur 47 Millionen hat die Süperlig nun sogar weniger investiert, als die belgische Jupiler League (48 Millionen). Die Kluft zu den Giganten der Branche (538 Mio. Bundesliga, 696 Mio. Seria A, 1.3 Milliarden Premier League) ist größer denn je.  

Logo der türkischen 1. Liga: Süperlig


Bei der mickrigsten Transferbilanz seit 9 Jahren spielt nicht nur das Sicherheitsgefühl der Sportler eine Rolle. Allein 2016 starben über tausend Menschen bei Anschlägen durch den „IS“ oder PKK nahe Gruppierungen und in Folge des blutigen Putschversuches vom Juli dieses Jahres. Hauptursache für das Schrumpfen im Transferbusiness sind die Auflagen im Rahmen der finanziellen Fair-Play Richtlinien der UEFA gegenüber den Top-Klubs der Liga. So dürfen Galatasaray, Beşiktaş und Fenerbahçe nur soviel Geld in Transfers investieren, wie sie auch durch Transfers eingenommen haben.


Eklatante Probleme in der Jugendarbeit


Trotz der immensen Ausgaben der letzten Jahre kann der türkische Vereins-, als auch Auswahlfußball auf keine sportlichen Erfolge verweisen. Die aktuelle Transferpolitik der Saison 2016/17 wird dies noch verstärken. So setzte der Fußballverband erst letztes Jahr, auf Betreiben von Fatih Terim, die Ausländerregelung außer Kraft. Damit sollten noch mehr internationale Stars in die Türkei gelockt werden. Fatih Terim und der Verband versprachen sich von dieser Maßnahme, quasi eine Schulung von türkischen Talenten, durch die internationalen Transfers auf und neben dem Platz. So sollten junge Spieler in der Türkei gefördert werden. Dass diese Idee nicht von Nachhaltigkeit geprägt war, beweist die aktuelle Entwicklung und der Blick auf den Kader der Nationalmannschaft verdeutlicht dies. Im aktuellen Kader stehen 10 Spieler deren spielerische Ausbildung eben nicht in der Türkei, sondern in Europa stattfand, zumeist in Deutschland. Der Unterbau des türkischen Fußball offenbart hier erneut seine Schwächen. Zu wenige Fußballvereine leisten sich Fußballakademien, Jugendteams und die entsprechende Finanzierung. Komplette Jugendabteilungen in allen Altersgruppen sind auch bei Profi-Klubs Seltenheit. Dem Ligensystem im Jugendbereich fehlt ein breiter Unterbau und es mangelt an Visionen der Klubverantwortlichen, oder auch ganz einfach an adäquaten Spielplätzen.


Logo des türkischen Fußballverbandes (TFF)



Auch ein Blick auf die aktuellen Zahlen hilft die Brisanz der Krise des türkischen Fußball zu verstehen. Laut der Tageszeitung Akşam sind von den 471 aktuellen Spielern in der Süperlig nur 189 in der Türkei groß geworden und ausgebildet worden. Dazu kommen noch 69 Spieler mit türkischen Paß, die aber in Jugendabteilungen außerhalb des Landes geschult wurden. Daten des internationalen Zentrums für Sportstudien (CIES) zeigen zudem das Spieler aus dem Nachwuchsbereich kaum an den Profisport herangeführt werden. So stand die Süperlig auf dem letzten Platz von 31 europäischen Ligen in der Saison 2013-14 in Bezug auf den Einsatz von Jugendspielern aus dem Nachwuchsbereich. Nur 9,1% der Spieler kamen aus dem eigenen Jugendbereich. Top-Ligen haben Werte von um die 20%. Auch die aktuellen Daten des türkischen Fußballverbandes für 2015/2016 belegen die Strukturschwäsche. So sollen nur 300.000 Spieler am Amateur- und Jugendfussball in der abgelaufenen Saison teilgenommen haben. Wenig bei einer Bevölkerungsanzahl von 75 Millionen. In der Bundesrepublik mit 80 Millionen Einwohnern treten ungefähr 6 Millionen Fußballer im Amateur- und Jugendbereich gegen den Ball.



Aus der Not eine Tugend machen




Türkische Vereine setzen eher auf teure Transfers, als auf nachhaltige Jugendarbeit. Die Schritte dies zu ändern, seitens des Verbandes sind halbherzig. Da könnte die UEFA Reglementierung helfen aus der Not eine Tugend zu machen. Denn das Jugendarbeit sich auszahlt beweist Jahr um Jahr der Hauptstadtklub Genclerbirligi. Der Klub kann auf 45 Jahre 1. Ligaerfahrung verweisen, hat zweimal den türkischen Cup gewinnen können und 20 Spiele in europäischen Wettbewerben absolviert. Der Verein kann den vier Top-Klubs in der Türkei finanziell und sportlich zwar nicht das Wasser reichen, ist jedoch eine feste Größe im türkischen Profigeschäft. Und das Alles mit einer Konzentration auf Jugendspieler aus dem eigenen Verein. Im aktuellen 28 köpfigen Kader befinden sich gleich zehn Spieler aus der eigenen Jugend. Ahmet Oğuz, Ahmet Çalık und İrfan Can Kahveci stehen sogar im aktuellen Aufgebot des  türkischen Auswahlteams. Wann wird dieses Beispiel Schule machen und sich die Erkenntnis durchsetzen, das der Weg aus der Krise nur über nachhaltige und konsequente Jugendarbeit führt.


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tumds.blogspot.de - 18 Mai 2015, Montag
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