Jedes Jahr sorgt die
türkische Süperlig mit prominenten Transfergeschäften für Aufmerksamkeit.
Allein letzte Saison fanden Stars wie Josef de Souza, Simon Kjaer, Luis Nani,
Robin van Persie, Lukas Podolski und Maro Gomez ihren Weg in die Türkei. Doch
damit ist vorläufig Schluß. Die UEFA hat nicht nur Galatasaray für ein Jahr,
wegen Verstoß gegen die Fair-Play Richtlinien der UEFA, von allen europäischen
Wettbewerben ausgeschlossen, sondern auch Top-Klubs wie Meister Beşiktaş und
Fenerbahçe stehen unter Beobachtung. Folge: Die Transferausgaben der Süperlig sanken
um fast 50% auf 47 Millionen Euro. So wenig wie seit neun Jahren nicht mehr.
Die türkische Süperlig gilt
als Fußball-Mekka. Begeisternde Stimmung in den Stadien, brisante Stadtderbys,
allumfassende Medienberichterstattung und verhältnismäßig hohe Gehälter machten
die Liga attraktiv für Fußball-Migranten. Die Ausgaben aller Süperlig Klubs für
Spieler Transfers lagen bis heute auf Top-Niveau in Europa. Doch in der Saison
2016-17 ist alles anders. Teure spektakuläre Neuverpflichtungen fehlen. Mit nur
47 Millionen hat die Süperlig nun sogar weniger investiert, als die belgische Jupiler
League (48 Millionen). Die Kluft zu den Giganten der Branche (538 Mio.
Bundesliga, 696 Mio. Seria A, 1.3 Milliarden Premier League) ist größer denn
je.
Logo der türkischen 1. Liga: Süperlig |
Bei der mickrigsten
Transferbilanz seit 9 Jahren spielt nicht nur das Sicherheitsgefühl der
Sportler eine Rolle. Allein 2016 starben über tausend Menschen bei Anschlägen
durch den „IS“ oder PKK nahe Gruppierungen und in Folge des blutigen
Putschversuches vom Juli dieses Jahres. Hauptursache für das Schrumpfen im
Transferbusiness sind die Auflagen im Rahmen der finanziellen Fair-Play
Richtlinien der UEFA gegenüber den Top-Klubs der Liga. So dürfen Galatasaray,
Beşiktaş und Fenerbahçe nur soviel Geld in Transfers investieren, wie sie auch
durch Transfers eingenommen haben.
Eklatante Probleme in der Jugendarbeit
Trotz der immensen Ausgaben
der letzten Jahre kann der türkische Vereins-, als auch Auswahlfußball auf
keine sportlichen Erfolge verweisen. Die aktuelle Transferpolitik der Saison
2016/17 wird dies noch verstärken. So setzte der Fußballverband erst letztes
Jahr, auf Betreiben von Fatih Terim, die Ausländerregelung außer Kraft. Damit
sollten noch mehr internationale Stars in die Türkei gelockt werden. Fatih
Terim und der Verband versprachen sich von dieser Maßnahme, quasi eine Schulung
von türkischen Talenten, durch die internationalen Transfers auf und neben dem
Platz. So sollten junge Spieler in der Türkei gefördert werden. Dass diese Idee
nicht von Nachhaltigkeit geprägt war, beweist die aktuelle Entwicklung und der
Blick auf den Kader der Nationalmannschaft verdeutlicht dies. Im aktuellen
Kader stehen 10 Spieler deren spielerische Ausbildung eben nicht in der Türkei,
sondern in Europa stattfand, zumeist in Deutschland. Der Unterbau des
türkischen Fußball offenbart hier erneut seine Schwächen. Zu wenige
Fußballvereine leisten sich Fußballakademien, Jugendteams und die entsprechende
Finanzierung. Komplette Jugendabteilungen in allen Altersgruppen sind auch bei
Profi-Klubs Seltenheit. Dem Ligensystem im Jugendbereich fehlt ein breiter
Unterbau und es mangelt an Visionen der Klubverantwortlichen, oder auch ganz einfach
an adäquaten Spielplätzen.
Logo des türkischen Fußballverbandes (TFF) |
Auch ein Blick auf die
aktuellen Zahlen hilft die Brisanz der Krise des türkischen Fußball zu verstehen.
Laut der Tageszeitung Akşam sind von den 471 aktuellen Spielern in der Süperlig
nur 189 in der Türkei groß geworden und ausgebildet worden. Dazu kommen noch 69
Spieler mit türkischen Paß, die aber in Jugendabteilungen außerhalb des Landes
geschult wurden. Daten des internationalen Zentrums für Sportstudien (CIES) zeigen zudem das Spieler aus dem Nachwuchsbereich
kaum an den Profisport herangeführt werden. So stand die Süperlig auf dem
letzten Platz von 31 europäischen Ligen in der Saison 2013-14 in Bezug auf den
Einsatz von Jugendspielern aus dem Nachwuchsbereich. Nur 9,1% der Spieler kamen
aus dem eigenen Jugendbereich. Top-Ligen haben Werte von um die 20%. Auch die
aktuellen Daten des türkischen Fußballverbandes für 2015/2016 belegen die
Strukturschwäsche. So sollen nur 300.000 Spieler am Amateur- und Jugendfussball
in der abgelaufenen Saison teilgenommen haben. Wenig bei einer
Bevölkerungsanzahl von 75 Millionen. In der Bundesrepublik mit 80 Millionen Einwohnern
treten ungefähr 6 Millionen Fußballer im Amateur- und Jugendbereich gegen den
Ball.
Aus der Not eine Tugend machen
Türkische Vereine setzen
eher auf teure Transfers, als auf nachhaltige Jugendarbeit. Die Schritte dies
zu ändern, seitens des Verbandes sind halbherzig. Da könnte die UEFA
Reglementierung helfen aus der Not eine Tugend zu machen. Denn das Jugendarbeit
sich auszahlt beweist Jahr um Jahr der Hauptstadtklub Genclerbirligi. Der Klub kann
auf 45 Jahre 1. Ligaerfahrung verweisen, hat zweimal den türkischen Cup
gewinnen können und 20 Spiele in europäischen Wettbewerben absolviert. Der
Verein kann den vier Top-Klubs in der Türkei finanziell und sportlich zwar
nicht das Wasser reichen, ist jedoch eine feste Größe im türkischen
Profigeschäft. Und das Alles mit einer Konzentration auf Jugendspieler aus dem
eigenen Verein. Im aktuellen 28 köpfigen Kader befinden sich gleich zehn
Spieler aus der eigenen Jugend. Ahmet Oğuz, Ahmet
Çalık und İrfan Can Kahveci stehen sogar im aktuellen Aufgebot des türkischen Auswahlteams. Wann wird dieses Beispiel Schule machen und sich die Erkenntnis durchsetzen, das der Weg aus der
Krise nur über nachhaltige und konsequente Jugendarbeit führt.
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tumds.blogspot.de - 18 Mai 2015, Montag