„Handikap“ hatte die türkische Polizei passend ihren Schlag
von letzter Woche gegen einen illegalen Wettanbieter getauft (tumds berichtete: Razzia gegen illegale Wettanbieter). Die Beamten landeten damit den größten Erfolg in der Geschichte der Türkei gegen illegales Wetten. "Handikap" könnte nun aber auch zu einer Liberalisierung der Politik in Bezug auf Sportwetten führen.
Gestern berichtete die grösste regierungsnahe
Boulevard-Zeitung Habertürk über die Hintergründe der Handikap Aktion. Neben
den schon Festgenommen 39 Personen sollen die Besitzer des illegalen
Wettanbieters noch gesucht werden. Sie sollen aus England und aus Nordzypern
stammen. Habertürk zu Folge soll auf der Fahndungsliste ganz oben der Engländer
Scott William Matterson stehen, ihm wird vorgeworfen Chef der ganzen
Organisation zu sein. Scott soll zu dem in einer Führungsposition eines legalen
Wettanbieters in England tätig sein. Gegen ihn und weitere Verdächtigte ist ein
internationaler Haftbefehl erlassen worden. Brisant auch: Unter den Kunden des
illegalen Wettanbieters sollen sich auch Fußballer und Ehepartner von Fußballern
befinden. In der Türkei steht auch das Wetten außerhalb des legalen Angebotes
unter Strafe.
Dem Bericht von Habertürk zu Folge wird der Verlust den der türkische Staat
durch entgangene Steuereinnahmen erlitten im Rahmen von illegalen Wetten hat
auf 1 Milliarde Dollar jährlich geschätzt. Und genau dieses Detail lässt
aufhorchen. Denn hier schreibt eine regierungsnahe Boulevardzeitung und kein
oppositionelles Blatt. Die Herausstellung der vermuteten Verluste im Rahmen der
Steuer durch illegales Wetten in der Türkei ist keine Kritik an der Regierungspolitik,
das wäre von Habertürk auch nicht zu erwarten. So ist viel mehr davon
auszugehen, das durch die Lancierung dieser Information in einem
regierungsnahen Blatt, Öffentlichkeit geschaffen werden soll. Der gleiche
Artikel wurde gestern zu dem von unzähligen weiteren Boulevardmedien wortgetreu
übernommen und die Kommentarspalten der Intermedien sprechen dort eine
deutliche Sprache. Die Kommentatoren fordern angesichts der hohen zu
erwartenden Einnahmen eine Änderung der Politik gegenüber Wettanbietern und
eine Liberalisierung. Zu dem wird der staatliche Wettanbieter Iddaa kritisiert,
der u.a. noch nicht einmal die beliebten Live-Wetten anbiete und auch sehr
schlechte Quoten habe. So ist neben der Berichterstattung über „Handikap“, auch
die Art der Berichterstattung zu beobachten. In der Türkei werden politische
Entscheidungen nicht durch öffentliche langandauernde Diskussion gefällt,
sondern hinter verschlossen Türen in den Zentren der Macht. Dabei greifen die Verantwortlichen
auf Meinungen die in Medien lanciert werden und die Reaktionen darauf zurück. Deshalb
sind die Kommentarspalten so etwas wie eine halboffene Umfrage. Und hier wird
eben eine Liberalisierung von den meisten Kommentatoren positiv bewertet und
auch die religiöse Komponente wird betrachtet. Da das Wetten an sich „Günah“
und damit nicht koscher sei, dürfe der Staat auch keine eigenen Wetten
anbieten, da er dies aber tue, wäre es töricht die Einnahmen aus Wetten zu
einem großen Teil an illegale Anbieter zu verlieren. Mein Tipp: Legale
Wettanbieter aus Europa sollten jetzt schon den türkischen Markt aufmerksam
beobachten.
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