Die
olympischen Spiel in Rio 2016 sind eröffnet und die ganze Welt war
zugeschaltet. Ob und wie Bewohner der Türkei die Spiele sehen können, war aber
bis Freitag Mittag noch unklar. Erst buchstäblich in letzter Sekunde einigte
sich Rechteinhaber Saran Group mit dem staatlichen TV Sender TRT, der nun auch
Live Bilder im TV aus Rio sendet.
Da
bahnte sich eine paradoxe Posse an, wie man sie sich kaum selbst ausdenken
könnte. Wie kaum zuvor hat sich das das nationale Olympische Komitee der Türkei
im Vorfeld der olympischen Spiele ins Zeug gelegt. Um die magere Medaillenausbeute
der Türkei zu beenden, wird auf eine
neue Strategie gesetzt. Devşirme-SportlerInnen sind die neue Kraft in der Türkei. Dies sind SportlerInnen, die vorher noch nicht
für die Türkei angetreten sind, eingebürgert wurden und zu einem großen Teil,
auch noch gar kein Türkisch sprechen. Der Begriff Devşirme, bezieht sich dabei auf einen Begriff aus
der Geschichte der Osmanen. Die auf Deutsch „Knabenlese“ genannte Politik des
osmanischen Reiches, beschreibt die gut 400 Jahre andauernde Rekrutierung, oft
Zwangsrekrutierung von nichtmuslimischen jungen Einwohnern des Reiches zum
Militär. Viele dieser machten dann erfolgreich militärische Karriere, entrissen
ihrer Herkunft und Familien, waren sie durch langjährige Ausbildung mit Leib
und Seele dem Militär und seinen Institutionen verfallen. Im
Sportbereich soll dieser Begriff nun für SportlerInnen stehen, die nachträglich
für die Türkei eine Startberechtigung erlangt haben. Und trotz seiner
rassistischen Note, wird der Begriff in den gängigen Sportmedien des Landes
genutzt um die neuen SportlerInnen zu beschreiben. Knapp 25% der teilnehmenden
türkischen Sportlerinnen fallen in diese Kategorie. In Zahlen von den 103 im
türkischen Team, kommt jeder vierte nicht aus Bursa, Istanbul, Konya oder
Ankara, sondern aus Kenia, Jamaika oder Äthophien. Mit der in Nürnberg
geborenen Lara Sanders ist im Basketball, sogar eine US-Amerikanerin dabei.
Ziel
dieser Maßnahme sollen mehr Medaillen sein, die das Interesse an den Sportarten
im Lande fördern sollen und somit langfristig neue SportlerInnen auch in der
Türkei generieren sollen. Eine ähnliche Strategie, wurde auch schon letztes
Jahr im Fußball gefahren. Auch hier sollte durch die Aufhebung der Kontingente
für Ausländer im Team, türkische Spieler motiviert werden und von den Erfahrungen
der Migranten profitiert werden.
Sportminister mit am Tisch
Gerade
im Bezug auf die Anstrengungen des nationalen olympischen Komitees war die
Hängepartie um die Übertragungsrechte jedoch paradox. Was würden wo mögliche
Medaillen bringen, wenn sie nicht im TV live zelebriert werden würden?
Denn noch zwei Tage vor Beginn der Spiele, ließ TRT verkünden, dass es keine
Übertragung auf dem stattlichen Sender geben werde. Erst Hashtags bei Twitter,
die TRT aufforderten die Spiele zu übertragen, brachten den Sender wohl nochmal
an den Verhandlungstisch mit der Saran Group zurück. Diese richteten aber schon einmal vorsorglich
eine You Tube Seite ein, zu der sie im Internet ankündigten, das türkische Sportfans
auf jeden Fall in den Genuss einer türkischen Übertragung kämen, zur Not eben
auf You Tube. Wieviel TRT im letzten Moment für die Übertragungsrechte nun
bezahlen musste wurde nicht bekannt. Aber das die Übertragung zum Schluss zu
einem Politikum wurde, zeigt die Danksagung von Selim Usta, dem Chef der
Sportabteilung der Saran Group, an den Sportminister des Landes, Akif Çağatay Kılıç. Bedankte wurde
sich ausdrücklich für den Einsatz des Ministers während der Vertragsverhandlungen
mit dem staatlichen TV.
Eine
Nichtübertragung der Spiele wäre ja nicht nur kontraproduktiv für die Ziele des
NOC, sondern auch peinlich für die Türkei. Schließlich hatte sich das Land
zuletzt mit Istanbul fast jedes mal seit
der Jahrtausendwende um die Austragung
der Spiele beworben (2000,2004,2008, 2012, 2020). Für die Spiele 2020 war Istanbul
für die Türkei, sogar erstmals in der finalen Abstimmungsrunde gelandet,
scheiterte dann letztendlich an Tokio. Das die Türkei auch bei der nächsten
Bewerbungsrunde wieder dabei sein wird, steht so gut wie außer Frage, da wäre
eine Nichtübertragung der Spiele aus Rio, schon ein Grund für ein frühes
Ausscheiden. Motto: Wer die Übertragung der Spiele nicht hinbekommt, wie kann
er sie dann adäquat beheimaten?