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Donnerstag, 29. Dezember 2016

Schlafender Riese aus Izmir

Lange spielte der Fußball aus Izmir keine große Rolle im türkischen Fußball und das obwohl die Stadt an der Ägäis die drittgrößte Stadt des Landes und Heimat vieler prominenter Vereine ist. Nun steht mit Göztepe ein Klub aus Izmir zur Winterpause an der Spitze der 2. Liga. Ein Klub mit Tradition und Fan Base, der schon einmal zu den ganz großen im Lande gehörte.

Der türkische Fußball ist im Wandel. Jahrzehntelang bestimmte der Dreikampf der Istanbuler Klubs das Liga-Geschehen.  Angeführt von Başakşehir und Osmanlıspor machen nun immer mehr Klubs als Vertreter der „Neuen Türkei“ sportlich auf sich aufmerksam und setzen die Clique von Galatasaray, Beşiktaş und Fenerbahce unter Druck. Ein Vertreter der „Alten Türkei“ könnte jetzt für noch mehr Spannung sorgen. Göztepe der Traditionsklub aus Izmir führt nach 16 Spielen die Tabelle der 2. Liga an und begibt sich als potentieller Aufsteiger in die Winterpause.

Izmir: Die Wiege des türkischen Fußballs


Göztepe ist beheimatet im gleichnamigen Stadtteil von Izmir. Der Stadt, die wohl wie keine andere Stadt in der Türkei ein europäisches Flair versprüht. Izmir ist die drittgrößte Stadt im Lande und zugleich Messestadt und Hafenstadt. Hier befindet sich der zweitgrößte Hafen des Landes. Zudem ist Izmir auch Tourismuszentrum. Der Touri-Hotspot Çeşme gehört zu Izmir und auch Bodrum und Kuşadası gehören zum Einzugsbereich der Stadt. Und auch wenn der Fußball aus Izmir kaum jemanden außerhalb der Türkei etwas sagt, ist Izmir dennoch eine Fußballstadt. Eigentlich liegt hier die Wiege des türkischen Fußballs. Schon 1877 sollen hier im Stadtteil Bornova die ersten Fußballspiele stattgefunden haben. 1884 wurde mit „Football Club Smyrna“ der  erste Fußballklub gegründet. Von ersten Spielen in Istanbul wurde hingegen erst ein Jahr später berichtet.

Die Fußballbegeisterung in Izmir nahm ihren Anfang in der englischen und griechischen Bevölkerung. Erst später konnten sich auch muslimische Stadtbewohner für Fußball erwärmen. Für die Entwicklung des Fußballs in Izmir sollten die Klubs der Minderheiten dann bald keine große Rolle mehr spielen. Aber neben den Klubs von griechischen, italienischen und englischen Stadtbewohner, soll es sogar um die Jahrtausendwende einen Maccabi Klub in der Stadt gegeben haben. Mit Karşıyaka gründete sich 1912 der erste Klub von muslimischen Fußballern, zumeist Türken. Dem folgte 1914 Altay. Mit Gründung des türkischen Fußballverbandes 1923 gingen dann auch in Izmir einige Neugründungen hervor. Darunter Izmirspor (1923), Altınordu (1923), Göztepe (1925) und Bucaspor (1928). Sowohl Altınordu, als auch Göztepe waren dabei Abspaltungen von Altay. Bei Göztepe waren ehemalige Spieler von Alpay Initiatoren der Neugründung. Und was alle Klubs eint, aus der Anfangszeit des Fußballs in Izmir, sie haben alle Erfahrungen in der 1. Liga gemacht. Karşıyaka spielte dabei 16 Jahre und Göztepe 25 Jahre in der heute Süperlig genannten höchsten Spielklasse. Aber das erfolgreichste Süperlig Team aus Izmir ist Altay. 41 Jahre spielte das Team erstklassig und steht in der ewigen Tabelle der Süperlig auf dem 8. Platz. 


Schlagzeile der Tageszeitung Yeni Asir von 1981:" Weltrekord in der 2.Liga"



Fans sorgen für Eintrag ins Guiness-Buch


Der Fußball in Izmir brachte u.a. mit Mustafa Denizli berühmte Namen des türkischen Fußballs hervor und war in den Anfangsjahren des türkischen Fußballs neben Istanbul das Zentrum des Sports. Auch wenn die Istanbuler Klubs schnell sportlich dominierte, hatte der Fußball in Izmir seinen Stand. Zuschauer Massen fanden und finden bis heute schon lange vor dem Branding „Support your local Team“ gefallen an dem Kick. Derbys zwischen Karşıyaka und Göztepe waren ähnlich umkämpft wie die Derbys in Istanbul. In der Saison 1980/81 schaffte es das große Izmir-Derby sogar ins Guinness Buch der Rekorde. Als das Spiel mit den meisten Zuschauern einer 2. Ligapartie. 80.000 Zuschauer sollen es gewesen sein. Und die Derbys ziehen immer noch, egal in welcher Liga die Klubs aufeinandertreffen. Wie letzte Saison, wo beide Klubs in der 2. Liga gegen einander ran mussten. Jeweils 20.000 Zuschauer sorgten für Erstligastimmung. Und 20.000 Zuschauer sind für die „Neue Türkei“ sehr viel, denn der türkische Fußball leidet seit Jahren unter einem immensen Zuschauerschwund. Zu manchen Spielen in der Süperlig finden sich nur noch knapp Tausend Zuschauer ein.


Halbfinale gegen AS Rom


Der Klub Göztepe ist jedoch nicht nur wegen seiner 25 Jahre Erstklassigkeit bekannt. Göztepe ist der erste Klub aus der Türkei, der es schaffte in einem Viertelfinale und Halbfinale eines europäischen Wettbewerbes zu stehen. Schon 1969 gelang es Göztepe bis ins Halbfinale des Messepokals zu kommen, dem Vorläufer der UEFA-Cups. Und nur ein Jahr später konnte Göztepe erst vom AS Rom im Viertelfinale des Pokals der Pokalsieger bezwungen werden. So wurde schon weit vor den großen Dreien aus Istanbul europäische Geschichte in Izmir geschrieben. Doch während man sich daran in Izmir noch gut erinnert, nimmt man davon außerhalb der Stadtgrenzen heute kaum noch Notiz. Außerhalb des Landes weiß von diesem sportlichen Erfolg kaum einer etwas. Und außerhalb der Lokalpresse wird heute kaum noch über die Klubs aus Izmir berichtet.


Logo von Göztepe ist nicht Retro, sondern Old-School. Made in 1934


Der RB Leipzig Trick ala Turka


Zudem machte Göztepe in den letzten Jahrzehnten eher negativ aus sich aufmerksam. Nach seiner letzten Saison in der Süperlig 2002/2003 stieg der Klub in die 2. Liga ab. Und startete eine beeindruckende Negativ-Serie mit aufeinanderfolgenden Abstiegen. Jahr für Jahr, bis der Klub sich 2007 in der 5. klassigen Amateurliga wiederfand. So tief angesiedelt spielten die rot-gelben noch nie. Und erst ein Trick unter der Führung des Präsidenten und Energieproduzenten Imam Altınbaş brachte den Klub wieder ins Profigeschäft zurück. Ein umstrittener Deal mit dem Klub Aliağaspor aus Izmir sollte den Weg ebnen um an alte Zeiten anzuschließen. Der millionenschwere Unternehmer sprang für das Startrecht seines Klubs in der 4. Liga, als Sponsor beim Basketball Team von Aliağaspor ein.  So wurde das Herrenteam von Aliağaspor um die Farben und den Namen von Göztepe bereichert. Aliağaspor spielte dafür anstelle von Göztepe in der Amateurliga weiter. Auch Proteste der Politik konnten den Deal ala RB Leipzig nicht stoppen, obwohl Lokalpolitiker sogar mit Hungerstreik drohten.  


Tradition wird gepflegt, auch beim Merchandising Bus
Foto: 
CC BY-SA 4.0 by Sakhalinio

Der Präsi als Held


Nur 3 Jahre später spielte Göztepe dann schon wieder zweitklassig. Doch die Hoffnung von Altınbaş mit Göztepe und seinem enormen Fanpotential in Izmir und darüber hinaus Geld zu verdienen zerplatzte 2013 mit dem erneuten Abstieg in die 3. Liga. Die Fans, die trotz des vorübergehenden Erfolges, nicht mit dem Präsidenten warm wurden machten den einzigen Hoffnungsträger für den Abstieg verantwortlich. Enttäuscht warf Altınbaş daraufhin das Handtuch. Mit seinem Abschied von der Vereinsführung übernahm dann mit, Mehmet Sepil, quasi ein Kollege die Vereinsspitze. Denn auch der Unternehmer Sepil ist reich geworden im Energiesektor, sei es als CEO oder Teilhaber.

Doch Sepil versprüht mit seinen langen Haaren und bunten Armbändern Credibility, die dem alten Chef fehlte. Zudem waren Sepil und seine Familie schon seit Jahren als Göztepe-Fans bekannt. Und spätestens mit seinem Einsatz für die Belange der Fans bei Auswärtsspielen sorgte Sepil für lange Zeit nicht da gewesene gute Stimmung im Verein. Nachdem er gestrandete rot-gelbe Fans bei einem Auswärtsspiel dann flugs auch noch in seine Privatmaschine einlud, war ein neuer Held gefunden.  Nach dem Wiederaufstieg 2015 basteltet man nun in Izmir an weiteren Heldengeschichten. Der Platz an der Tabellenspitze zur Winterpause soll da nur ein Zwischenschritt sein. Gelingen soll das mit einer Mischung aus jung und alt. Im Kader sind sogar mehrere Spieler aus der eigenen Jugend. Rückhalt bietet der erfahrene Neu-Ulmer Günay Güvenc. Vor ihm bringen der 27 jährige Gencer Cansev und der 33 jährige Benjamin Fuchs Ruhe ins Spiel.  Im Sturm sorgen Adis Jahovic und Umut Nayir für Wirbel. Der mazedonische Nationalspieler erzielte schon 9 Treffer, Nayir sogar schon 10 in der laufenden Saison.


Konkurrenz für Fener und Co.?


Ein Aufstieg dieses Klubs könnte die Fußballwelt der Türkei nachhaltig verändern. Noch mehr als die Klubs im Fahrwasser der Regierungspartei, AKP, wie Başakşehir und Osmanlıspor es bisher nicht konnten.  Zwar spielen beide außerordentlich erfolgreich mit. Başakşehir führt die Süperlig weiterhin ungeschlagen an und Osmanlıspor nimmt einen guten 6. Platz ein. Mit nur vier Punkten Rückstand auf einen Platz der zur Teilnahme an der Europa League berechtigt, in dem sie dieses Jahr, sogar erstmalig überwintern und im neuen Jahr ihr wohl größtes Spiel in der Vereinsgeschichte gegen Olympiakos bestreiten. Doch die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von den Emporkömmlingen. Und ob sich das langfristig ändern wird, bleibt abzuwarten. Auch wenn die Regierung gerne Nähe zeigt, werden auch die Medien kein Interesse haben über die Klubs zu berichten, solange sich zu Heimspielen nur gut 1000 Zuschauer einfinden. Denn Auflage versprechen Schlagzeilen über Başakşehir und Osmanlıspor nicht. 

Göztepe hingegen hat jedoch schon jetzt einen höheren Zuschauerschnitt in der 2. Liga als die vorhergenannten Klubs. Und bei einem Aufstieg kämen noch attraktivere Gegner in die nach Süperlig Fußball lechzende Stadt. Nicht nur das, die Fans begleiten ihr Team auch auswärts. Ungewohnt für die Türkei. Zudem wohnen in den meisten Teilen des Landes auch ehemalige Izmiraner, und damit auch Göztepe-Fans, die sich den Auftritt ihres Team in ihrer Wahlheimat dann nicht entgehen lassen. Die Fankultur von Göztepe ist über Generationen gewachsen. Manche Fangruppen existieren schon seit Jahrzehnten. Und auch der tiefe Fall bis hinunter in den Amatuerfussball hat die Fanszene mit gemacht und überlebt.


40.000 beim letzten Spiel in Liga 3 (2011)
Foto: 
CC BY-SA 3.0 by Inanc Bardakcioglu


Fans bringen Rendite


Leidenschaft pur bei Göztepe. Davon können auch Berliner Fans berichten. Bei einem Freundschaftsspiel im Sommer 2003 zwischen Türkiyemspor und Göztepe in Berlin gerieten zuerst nur die Spieler beider Teams aneinander. Drei Platzverweise in der zweiten Spielhälfte brachten auch die Fans in Wallung und Türkiyemsporfans bekamen die Leidenschaft einiger Göztepe Fans zu spüren. Der sportliche Niedergang der letzten Jahre hat sich wohl nur so ertragen lassen. Doch gerade die zu Fanatismus neigende Fanszene macht den Verein nun so lebendig, attraktiv und anders. Ein Potential so groß, wie bei wohl kaum einem anderen Klub, der nicht in der ersten Liga kickt. Izmir und die ganze westliche Türkei sehnt sich fast nach einer neuen Erfolgsgeschichte.  So zieht sich Göztepe-Präsi Sepil schon seit einiger Zeit Stück für Stück aus dem Energiesektor zurück. Damit er mehr Zeit hat für sein Lieblingsprojekt, den Klub. Denn schon jetzt als Aktiengesellschaft organisiert, geht es hier neben dem sportlichen Erfolg auch immer um Rendite. Und die würde ein Aufstieg in die Süperlig endlich garantieren.  Zudem könnte dann ein neuer, alter Slogan die Tribünen im Lande bereichern. Göz-Göz-Göztepe.






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Großes Derby in der Zweiten Liga

Wenn über Derbys in der Türkei berichtet wird, dann sind es zumeist die Partien zwischen den drei großen Istanbuler Klubs, von denen geschrieben wird. Zudem erhielten eine Zeitlang auch die Derbys der Hauptstadtklubs ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit. Zu einem Klassiker der ganz anderen Art, kam es am letzten Spieltag der 2. türkischen Liga (PTT 1.Lig), in Izmir. 

tumds.blogspot.de - 10. November 2015, Dienstag
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