Gut ein Jahr nachdem Twitter seine Live-Stream App Periscope
launchte, steigt nun auch Branchenführer Facebook mit einem erweiterten
Live-Stream Angebot ein. Mit „Live Map“ attackiert Facebook jedoch nicht nur
den Konkurrenten Twitter, sondern setzt auch die herkömmliche
Sportberichterstattung weiter unter Druck.
Schon seit einigen Wochen können Facebook-User per
Facebook-Live streamen, dabei greifen nicht nur Privatuser auf das Angebot
zurück. Denn Facebook bietet herkömmlichen Medienunternehmen sogar Geld an, damit
sie auch über Facebook-Live Content verbreiten. Dies geschah jedoch bisher in
einem sehr eingeschränkten Rahmen auf der Plattform. Accounts mit vielen Fans
oder Followern hatten einen enormen Reichweitenvorteil. Mit „Live Map“ verbindet Facebook nun den gestreamten Content
mit einer übersichtlichen Weltkarte, auf der Live Streams per blauen Punkt
eingezeichnet sind. Die Größe der Punkte symbolisiert dabei die Reichweite der
Live-Sendung. Beim Berühren des Punktes erscheint ein Vorschaubild, Name des
Senders und die Anzahl der Live Zuschauer. Zudem wird grafisch angezeigt, wo
auf der Welt dieser Stream dann auch gerade gesehen wird. Beim Klick auf die
Vorschau, erscheint der Stream im klassischen Facebook Layout und den Facebook
eigenen Funktionen. Mit "Live Map" wird das Auffinden von Streams extrem vereinfacht, zu dem grafisch klug eingebettet in die Weltkarte. Da ist Facebook dem Konkurrenten Periscope einen Schritt voraus, denn dort ist das zappen zwischen Streams aus unterschiedlichen Kontinenten längst nicht so komfortabel gelöst.
Startseite von "Live Map" und alle Streams auf einen Blick |
Vom Trend zum Massenphänomen
Mit „Live Map“ macht Facebook mit über 1,6 Milliarden Usern
Twitter mit Periscope den Markt streitig. Schon lange versucht Facebook den
Vorsprung von Twitter im Echtzeit-Segment zu verkleinern, der nicht nur durch
Periscope gefestigt wurde. Doch mit der
User-Zahl von Facebook kann das offene Content von Periscope nicht mithalten.
Zwar hat Periscope innerhalb eines Jahres schon über 10 Millionen User binden
können und täglich landen über 350.000 Minuten Live Material auf der Plattform,
doch das kommt an die Reichweite Facebooks längst nicht heran.
Wenn aber Branchenführer Facebook nun nach Periscope,
Merkaat, Youtube Now und Co. ebenfalls in den Live-Video Trend einsteigt,
bedeutet dies auch, dass der Trend längst kein Trend mehr ist, sondern eine
Massenbeschäftigung wird.
Generierte Nähe
Das Live-Streaming die Sportberichterstattung
revolutionieren werden haben wir in "Periscope & Co. : Revolution für Live-Sport Berichterstattung" letztes Jahr schon dargelegt. Dabei stechen zwei Punkte weiterhin
heraus. Mit Live-Berichterstattung für und von jederman, kann nicht nur
Randsportarten und Amateurspielen zu mehr Aufmerksamkeit verholfen werden,
sondern wird auch die Sportberichterstattung im Profibereich revolutioniert.
Quasi jeder Sportler, Fan oder Journalist kann nun jederzeit Live von einem
Event und dem drum herum berichten. Damit stehen herkömmliche
Sportberichterstatter unter Druck, denn sie bekommen unerwartete und dazu auch
zumeist kompetente Konkurrenz. Zudem schaffen die Live-Streams etwas was herkömmliche
Berichterstattung nur ansatzweise gelingt. Sie generieren Nähe. Und das ist
genau das, was den sozialen Medien bisher wie keinem anderen Medium gelingt. Zwar versuchen TV-Sender sich der
Herausforderung zu stellen und arbeiten an verschiedenen Konzepten um
Echtzeit Social Media zu adaptieren, doch wirken die Integrationsversuche von Twitter
und Facebook in laufende Fernseh-Formate, noch immer wie die redaktionell
gesiebten und redigierten Leserbriefspalten der Old-School Printmedien.
Twitter-Tochter Periscope ist Nr.1 unter den Streaming-Apps: 10 Mio. Usern |
Rechteinhaber unter Druck
Ein weiterer Druck auf die konservativen Medien entsteht
zudem im Graubereich der Live-Streams. Denn es wird ja nicht nur vor und nach großen
Ereignissen gestreamt, sondern auch mittendrin, aus dem Stadion oder vom
heimischen Wohnzimmer. Wie z.B. bei der Live Übertragung eines Klassikers wie
dem Super Bowl. Allein während des Super Bowls im Februar dieses Jahres wurden
nach Daten von Internationale Business Time 16,5 Terabyte mobile Daten
versendet. Zehn Terabyte mehr als nur im Jahr zuvor. Wieviele davon auf
Live-Streaming entfallen wurde nicht untersucht. Sie werden aber auch mit dem
Auftreten von Meerkat und Periscope im Laufe des letzten Jahres einen gehörigen
Anteil daran haben.
Dabei sind sich die Live-Stream Plattformen des Urheberrechtsproblems
vollkommen bewusst und weisen ihre User in den Geschäftsbedingungen darauf hin.
Meerkat hat zumindest ein eigenes Kontrollteam, welches urheberbedenkliche
Streams versucht aufzuspüren und den Stream zu kappen. Bei Marktführer Periscope
hingegen muss der Rechteinhaber selbst tätig werden und die betreffenden
Sendungen melden. Erst danach wird im Hause Twitter reagiert. Dabei wird zu mindestens
aus der Türkei kolportiert, das mit Twitter eng zusammen gearbeitet wird. Die
stellvertretende Geschäftsführerin des Süperlig Rechteinhabers Digitürk Frau
Hatice Memigüven schilderte zu Saisonbeginn gegenüber der Tagsezeitung „Akşam“,
das in Zusammenarbeit mit Twitter wöchentlich durchschnittlich 50 Accounts
wegen Urheberverletzungen bei Twitter bzw. Periscope gelöscht würden. Trotz der
regelmäßigen Löschattacken lassen sich fast zu allen Spielen der Süperlig
Streams, zumeist aus dem Wohnzimmer vom heimischen Flatscreen abgefilmte, finden. Die Situation in der Türkei ist auch deshalb
interessant, da die Türkei zu einen der größten Communitys von Periscope zählt.
Und ebenso wie in den USA drohen hier die Rechteinhaber regelmäßig mit
Gerichtsverfahren gegen die Streamer, doch weder in der Türkei noch in den USA
ist bisher etwas von einer Verurteilung aufgrund eines Periscope Sport-Streams
zu hören.
Mit der APP Meerkat startete das Streaming-Zeitalter für Handys im Februar 2015 |
Unkontrollierbare Systeme
Denn der Knackpunkt liegt beim Aufspüren der Streams. Wenn
schon jetzt bei nur 10 Millionen Usern von Periscope, dies nicht mehr gelingt,
ist dies bei den nun hinzu kommenden Facebook-Usern erst recht nicht mehr zu
bewerkstelligen. Zudem führen die Rechteinhaber schon seit Jahren einen
aussichtslosen Kampf gegen professionell agierende Streaming-Priaten. Schon deren Schaden sei laut Sascha
Tietz, Director Anti-Piracy & Content Security bei Sky im Interview mit dem
Deutschlandfunk, nicht seriös zu beziffern. Doch wird schon im Titel des Beitrages wird auf "Millionenschäden durch gehackte Livestreams" verwiesen. Dabei setzen die
Rechteinhaber seit geraumer Zeit auf professionelle Teams, welche die illegalen Streams aufdecken sollen. Das gelingt durch programmierte Suchmaschinen und händische
Kontrolle. Doch geschlossene Systeme sind nicht zu kontrollieren. Denn längst
verkauft die organisierte Piraterie fertige Streamingpakete an zahlende User.
Diese sind dann nur noch für zahlende Kunden sichtbar und entziehen sich völlig der
Kontrolle. Ähnlich wie bei Periscope, wo es möglich ist Streams nur bekannten
Usern zur Verfügung zu stellen. Wie jetzt auch bei Facebook, den Kontrolle entzogen lässt sich hier ausschließlich an Freunde senden. Ein Rezept wie die Streams in geschlossenen Systemen aufgespürt werden könnten gibt es nicht.
"Live Map" meets #EM2016
Noch ist der Sport ein lukratives Geschäft
für die TV-Anstalten, beim Super-Bowl gehen 30 Sekunden Werbezeit beim Anbieter
CBS für 5 Millionen Dollar weg. Doch die
nächste große Bewährungsprobe nach dem Launch von „Live Map“ hat die
Rechteinhaberindustrie schon mit der im Juni startenden EM vor sich. Hier lässt
sich dann absehen, wie „Live Map“ die Berichterstattung und den Konsum dieser
verändern wird. Es wird Streams geben vom Wohnzimmer aus, wo sich eine gesellige Runde um die Glotze versammelt hat, aber auch aus
den Stadien werden unzählige Live-Vidoes hochgeladen werden. Sei es von Fans oder von der
stolzen Mutter, die den ersten Auftritt ihres Sohnes bei einer EM Live teilen
möchte. Deshalb sollten Rechteinhaber schon jetzt nach Strategien suchen um mit
den neuen Medien zusammenzuarbeiten. Denn das Einklagen von Rechten gegenüber
Usern, ist zwar logisch und rechtlich möglich. Doch wird dies bei den Usern der
neuen Medien, auch im Bezug auf die verbreitete Umsonst-Kultur nicht auf Beliebtheit stoßen. Und
diese finden ihre Nähe eben nicht nur bei Freunden und Followern, sondern
zugleich bei den Anbietern der sozialen Netzwerke. Sie identifizieren sich mit
den Marken Twitter, Facebook oder You Tube. Die jüngeren User informieren sich zudem schon längst in ihrer Mehrheit in den sozialen Medien. Mit Prozessen
der konservativen Medien gegen Social-Medien User ließe sich nachhaltig keine
Nähe generieren.
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tumds.blogspot.de - 5 Mai 2015, Dienstag