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Donnerstag, 10. März 2016

Ruhm und Ruin: Milieustudie in Romanform

Ruhm und Ruin heißt Imran Ayatas neuestes Werk. Ein Fußball-Roman der den Aufstieg und den Fall einer Fußballlegende behandelt. Im Mittelpunkt der elf Erzähler steht Türkiyemspor Berlin. Oder eben auch nicht. Denn der Vereinsname taucht erst bei den Danksagungen auf der letzten Seite auf.

Türkiyemspor Berlin ist eigentlich nur das Korsett dieser Erzählung. Der Klub ist austauschbar und kann für tausende von Vereinen stehen und wohl nicht nur für Fußballvereine. Denn es geht im Vereinsleben immer auch um Macht, Intrigen und persönliche Interessen, eben um den Ruhm. Und davon lässt Imran Ayata sprechen. Die 11 Erzähler schildern, wie sie zu ihrem Verein gekommen sind. Sie sprechen in seitenlangen Monologen von ihren Träumen, ihren Ängsten und verpassten Chancen. Von ihrem Traum auf Ruhm. Dabei spielt, der Verein, der Fußball nur eine Rolle, eine kleine Rolle. Zwar sind alle Protagonisten ihrem Verein in einer tiefen Hass- Liebe verbunden.  Doch ihre Ausgangslage, ihr Innenleben, ihre Motivation könnte unterschiedlicher kaum sein.

Buchcover von Imran Ayatas neuestem Werk

Konträrer, stringenter Seelenstriptease


Im ersten Monolog berichtet der junge Fußballer Arda sympathisch von den Wirren seiner jungen Star-Karriere.  Nebenbei zieht er über Gott und die Welt her, insbesondere über seinen Vater. Ein Seelenstriptease. Gleich im zweiten Monolog folgt der Vater selbst. Quasi als Antwort, erzählt er ebenso ehrlich und stringent wie sein Sohn von seinem Leben und seinen Träumen als Migrant in der Bundesrepublik. Konträr. Und beim Leser schwinden gerade erst aufgebaute Sympathien zum Vorredner Arda. Dieses Gefühlskarussell ist Konzept. Das Bild der einzelnen Romanfiguren verdichtet sich erst in der Gesamtheit aller Erzählungen.  Ebenso zieht sich durch die einzelnen Erzählstränge eine Schwermut, die alle Protagonisten umweht. Eben die andere Seite des Ruhms.

Neben Arda und seinem Vater kommen neun weitere Vereinspersönlichkeiten zu Wort. Trainer, Sponsor, Politiker, Frauenbeauftragte; - das Vereinsleben wird grobmaschig abgedeckt. Und das funktioniert. Gerade durch den Sprung mit verschiedenen Sprachcodes werden die Personen und ihre Anklage lebendig, erheben sie sich aus einfachen Klischees und Schablonen. Dem Leser erscheint es, als ob er wirklich den Personen gegenüber säße, als ob sie ihm sein Leid klägen, als ob sie bei ihm auf der Couch lägen.  Auch wenn die Protagonisten eine sehr wortgewaltige Sprache sprechen, stechen die Verletzungen und Enttäuschungen heraus.

Türkiyemspor Berlin steht im Zentrum von Ruhm und Ruin, doch kommt namentlich gar nicht vor.

Fußball ist Politik und Politik ist Fußball


Bei Ruhm und Ruin geht es um viel mehr als der Titel verspricht. Mehr als um Gut und Böse, Sieg oder Niederlage. Es geht um Einblicke in die Gemengelage von diversen Diskursen in den neuen deutschen Kiezen, die neben einander herlaufen. In diesen geht es um Rassismus, sexuelle Erfüllung, Gleichberechtigung, nationale Befreiungskämpfe, ebenso wie um die Machenschaften der Fifa, des DFB oder diverser Politiker. Denn Fußball ist eben Politik und Politik ist Fußball. Zudem geht es auch um Brüche. Brüche in den Identitäten, in kulturellen Identitäten, denen wir alle unterworfen sind und an denen wir uns ausprobieren, abreiben, entwickeln und verändern.

Das Buch startet mit „Bam, Küt, Bam“ doch wer jetzt erwartet, dass hier auf 198 Seiten komplett kanakgesprakt, oder wie es die Wissenschaft heute nennt, Kiezdeutsch gesprochen wird, wird enttäuscht. Zwar kotzen sich die Figuren regelrecht aus, so ist logisch, dass dabei die Sprache auch mal etwas derber ist. Doch Kiezdeutsch ist eben nur ein Teil, ein Mosaik eines Kiezvereins. So wie jeder Protagonist auch nur ein Mosaiksteinchen ist. Auch wenn er Präsident oder Über-Trainer ist.  

Ruhm und Ruin erinnert irgendwie an Linie 1. Das legendäre Musical welches verstand den Bezirk Kreuzberg anhand ausgewählter Typen in seiner Vielfalt zu porträtieren. Bei Imran Ayata ist die U-Bahn nun ein Verein. Die Vielfalt fährt noch immer mit. Ruhm und Ruin ist eine kurzweilige Milieustudie in Romanform, bei der es auch um Fußball geht.

Ruhm und Ruin
Preis: 19,00 Euro
Verlag. Verbrecher-Verlag
Autor: Imran Ayata

Dieser Post ist eine leicht veränderte Fassung der Rezension zu "Ruhm und Ruin" erschienen in Transparent-Magazin No.15. Die aktuelle Ausgabe des Magazins erscheint am 14. März 2016 und ist hier auch online zu beziehen.