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Dienstag, 2. Februar 2016

Naki ballert 3.Ligist ins Viertelfinale

Deniz Naki und sein Klub Amed Sportif Faaliyetler sorgen mit dem Einzug ins Viertelfinale des türkischen Pokals für eine sportliche Sensation. Als einziger Nicht-Süperligist schafften sie die Qualifikation. Nun bescherte die Auslosung fürs Viertelfinale ein Hammerlos. Nächste Woche trifft der Klub aus Diyarbakir auf den Serienmeister Fenerbahçe.

Der türkische Pokal führt in der Türkei, trotz regelmäßiger Modi-Änderungen ein Schattendasein. Die Spiele der Pokalrunde finden zu meist vor leeren Rängen statt und das obwohl das zuschauerhemmende elektronische E-Ticket, Passolig, hier keine Gültigkeit hat. Mit dem Einzug des Drittligisten Amed Spor Faaliyetler hat der Pokal nun jedoch seine Sensation. Deniz Naki feiert mit seinem Klub, den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte. Zudem ist der Einzug des Drittligisten als einziger Klub aus dem Osten des Landes auch ein Politikum.

Alter Klub mit neuem Namen


Seit Anfang der Saison ist die St. Pauli Ikone in Diyarbakır am Start und mit Amed Sportif Faaliyetler hat er bei einem Klub angeheuert, der wie kaum ein anderer in der Türkei polarisiert.  Allein die Namensgebung ist ein Politikum. Zum Zeitpunkt seines Wechsels hieß der Klub zwar noch schlicht Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor (Verein der Großstadt Diyarbakır). Der Namenszusatz Belediye zeugt davon, dass der Verein einer Stadtverwaltung oder hier einer Großstadtverwaltung gehört (siehe Deniz Naki ist zurück ). Das ist nicht ungewöhnlich in der Türkei, wo viele Vereine von Stadtverwaltungen geleitet werden.  Eine Art des öffentlich-rechtlichen Fußballs. Ebenso nicht ungewöhnlich ist, dass dann die jeweiligen Stadtverwaltungen auch ihre politischen Einstellungen in die Vereinspolitik der Vereine einfließen lassen. Die Stadtverwaltung in Diyarbakir wird z.B. durch die linke Partei HDP dominiert. Die HDP ist die Partei der kurdischen Bewegung und besonders im Osten des Landes stark. So ist auch die aktuelle Umbenennung von Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor in Amed Sportif Faaliyetler nur in dem Kontext des türkisch-kurdischen Konflikts zu verstehen. Denn Amed ist der kurdische Name für Diyarbakır. Ganz so leicht ging der Namenswechsel dann nicht von statten. Anträge beim Verband wurden abgelehnt, Widersprüche eingelegt. Nach Verpflichtung von Deniz Naki wurde jedoch eine Einigung erzielt und ein neuer genehmigter Name für Diyarbakır Büyükşehir Belediyespor präsentiert: Amed Sportif Faaliyetler (Amed sportliche Aktivitäten). Verein und Fans halten jedoch inoffiziell an dem eigentlichen Wunschnamen Amedspor fest. Die offizielle Homepage ist unter amedspor.com.tr registriert und auf der Page nennt man sich auch so. Mit dem Namen, der vom Verband abgelehnt wurde. Ein Politikum weiterhin.

Namensstreit: Offiziell Amed Sportif Faaliyetler, nennt sich der Klub selbst Amedspor

  
Für ein Politikum hätte es dabei einer Namensänderung gar nicht bedurft. Wurden in den letzten Jahrzehnten doch schon zuvor Teams aus dem Osten, trotz türkischen Vereinsnamens oft Ziel von nationalistischen motivierten Fananfeindungen. Auftritte des heute nicht mehr existenten Klubs Diyarbakırspor gerieten in der Süperlig zuweilen zu einem Spießrutenlaufen. Klubs aus dem Osten des Landes werden von vielen Stadiongängern im Westen des Landes flugs mit der PKK gleich gesetzt und Fans und Spieler der Klubs aus dem Osten dementsprechend angefeindet. Mit dem erneuten Entflammen von militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und PKK nahen Gruppen im Sommer 2015 war abzusehen, dass dies sich auch im Fußball widerspiegeln würde. Dadurch das Teams aus dem Osten z.Zt. nur unterklassig vertreten sind, spielte sich dieser Konflikt jedoch außerhalb des Blickfeldes der Öffentlichkeit ab. Mit dem aktuellen sportlichen Erfolg von Amed wurde die prekäre Situation sichtbar.

Der Weg ins Viertelfinale


Amed qualifizierte sich eindrucksvoll. Ungeschlagen in allen bisherigen acht Partien des Wettbewerbes, sowohl in der KO-Runde, als auch in den Gruppenspielen. Im letzten Gruppenspiel der Gruppe A traf Amed dann auf den Süperligisten Başakşehirspor. Im Hinspiel trennten sich beide Teams 3:3. Und es ging im Rückspiel um den Gruppensieg. Mit einem Sieg wäre Amed Spitzenreiter geworden und hätte im Achtelfinale eine vermeintlich leichteren Gegner bekommen. Der Gegner, Başakşehir aus Istanbul, ist ebenfalls ein Verein der einer Stadtverwaltung zu geordnet ist. Hier ist es die Regierungspartei AKP die den Verein lenkt. Amed führte dann im entscheidenden Duell Ende Januar schnell mit 2:0. Erst in den Schlußminuten gelang den Gastgebern durch den ehemaligen Nationalspieler Semih Şentürk der 2:2 Ausgleich. Dieser zelebrierte seinen Torjubel und die Freude über den Gruppensieg mit einem Soldatengruß vor der Kurve der Amed-Fans. Für Şentürk eine Solidaritätserklärung an die Soldaten der türkischen Armee, die z.Zt. unter vielen Opfern im Zuge der Auseinandersetzung mit PKK nahen Gruppen zu leiden hat. Für viele Amed-Fans jedoch eine Provokation, die sich in eine Atmosphäre von Anfeindungen fügte. Die Folge Empörung im Amed-Block. Polizeieinsatz und Festnahmen. Das Şentürk selbst seinen Militärdienst nicht abgeleistet hat, ist dann nur noch eine paradoxe Randnotiz.

Zusammenfassung Başakşehir - Amed Sportif Faaliyetler 2:2


Im Achtelfinale wartete dann das Gastspiel am Sonntag bei Bursaspor. In die aufgeheizte sportliche und politische Atmosphäre platzte eine Internetankündigung von Bursaspor-Fans in der verbal scharf gegen Fans von Amed geschossen wurde. Der Verband reagierte zügig und verhängte ein Gästefanverbot. Amed spielte zwar zuvor noch nie in Bursa, doch bei den Fans von Bursa sind die Ereignisse aus den Spielen mit dem ehemaligen Klub Diyarbakırspor noch omnipräsent. In der Saison 2009/2010 gab es zuerst Auseinandersetzungen auf den Rängen in Bursa. Beim Rückspiel in Diyarbakır, ausgetragen ohne Gästefans, wurden Spieler und Funktionäre von Bursa dann angegriffen. Das Spiel musste abgebrochen werden und nachträgliche wurde es für Bursa gewertet. All dies wurde nun auch im Vorfeld auf Amed projiziert. Trotz der Nicht-Anwesenheit von Amed-Fans in Bursa kam es am Sonntag im Stadion dann immer wieder zu Tumulten auf den Tribünen. Einzelne Bursa-Fans machten Jagd auf vermeintliche ins Stadion gelangte Amed-Fans. Trotz der fehlenden Fan-Unterstützung und der feindlichen Stimmung gelang Amed die sportliche Sensation. Mit 2:1 wurde Bursa geschlagen. Das 2:0 durch Deniz Naki besiegelte schon frühzeitig das Aus von Bursa. Amed war spielerisch und kämpferisch nicht beizukommen. Der Anschlußtreffer viel auch erst in den Schlußminuten. Die erste Niederlage für Bursaspor im gerade erst eingeweihten neuen Stadion ließ keine Freude aufkommen. In Diyabakir hingegen feierten kurz nach Spielende hunderte von Fans dann die Sensation, bis die Polizei eingriff und wegen Slogans für die PKK die Feierlichkeiten mit Tränengas und Wasserwerfern auflöste.

Zusammenfassung Bursaspor - Amed Sportif Faaliyetler 2:2

Die Begegnung zwischen Bursaspor und Amed wurde so schon im Vorfeld zu etwas wie einem nationalen Länderspiel hochstilisiert. Fans aus dem ganzen Land solidarisierten sich mit Bursa, gegen die PKK und kurdische militante Separatisten. Auch der Sprecher des übertragenden Senders konnte seine Sympathien kaum verheimlichen. Zwischendurch betitelte er, das Team von Amed sogar nur als „onlar“, also die anderen. Kein Wunder, dass die Fans im Stadion auch brutale Fouls an Amed-Spielern dann fast schon frenetisch abfeierten und sich im Stadion viele Türkei-Fahnen fanden, sowie wie bei National-Spielen „Türkiye, Türkiye“ durch das Rund hallten. Auch nur eine Randnotiz, das in der Startelf bei Bursaspor acht Ausländer standen, hingegen bei Amed ausschließlich Spieler aus der Türkei.  Das die Wahrnehmung und Zuschreibungen gegenüber Amed Spor Faaliyetler jedoch nicht nur einseitig sind, zeigt auch die Art und Weise wie die Fans selbst im Vorfeld des Achtelfinales warben. Auf unzähligen Twitter-Accounts, die auf dem ersten Blick wie Vereinsaccounts wirken, aber nur Fanaccounts sind, wurde unter dem Hashtag ‪#HalkınİçinSaldırAmedspor (Greife an für das Volk) fleißig ethnisiert.

Deniz Naki bleibt Deniz


In einem Klub, der sich politisch so wo weit aus dem Fenster hängt wie Amed fühlt sich Deniz Naki gut aufgenommen. Kaum verwunderlich, das er nach seinem Treffer auch verbal und per Ikonen-Geste nachlegt. Sein Tattoo „Azadi“ am Unteram wurde zum Symbol des Erfolges und des Kampfes seines Klubs. „Azadi“ ist Kurdisch und heißt Freiheit. Mit einer kämpferischen und politischen Erklärung über Facebook widmet der ehemalige Kiezkicker seinen Treffer und den Sieg dann auch den Opfern der Auseinandersetzungen im Osten des Landes.

Deniz Naki widmet den Sieg den Opfern der Auseinandersetzungen im Osten des Landes

 


Fenerbahçe kommt


Doch der sportliche Höhenflug, des in der 3. Liga nur auf Platz 8 stehenden Klubs könnte nun schnell vorbei sein. Obwohl das Team Qualität gegen die Süperligisten Başakşehir und Bursaspor eindrucksvoll bewiesen hat, wird dem Newcomer gegen Fenerbahçe kaum eine Chance eingeräumt. Und auch hier steht neben dem sportlichen plötzlich auch eine politische Note auf dem Platz. Wie werden die Fans von Fenerbahçe in dieser aufgeheizten Atmosphäre im Land reagieren? Schon jetzt gibt es im Internet Aufrufe von Fangruppen landesweit Fenerbahçe gegen Amed zu unterstützen. Auch von den verhassten Galatasaray-Fans.  

Zuschauerverbot


Und der Verband reagierte schnell. Knapp 3 Stunden nach Auslosung der Pokalpartie, bestrafte der Verband Amed mit einem Spiel vor leeren Rängen. Und dies soll das Spiel gegen Fener sein. Grund: Das Verhalten der Fans beim Gastspiel bei Başakşehir. Und auch Deniz Naki wird wohl nicht dabei sein, denn seine Äußerungen per Facebook wurden vom Verband moniert. Ein Disziplinarverfahren aufgrund von Veröffentlichungen entgegen der Fairness und wegen separatistischer und ideologischer Propaganda wurde eingeleitet.

Das im März dann beim Rückspiel Fans von Amed bei Fenerbahçe erscheinen dürfen scheint zudem aussichtslos. Die Auseinandersetzungen im Osten des Landes haben für derart viel Sprengstoff im ganzen Land gesorgt, das eine ordnungsgemäße Durchführung eines Spiels dieserart kaum noch möglich erscheint. Erschreckende Parallelen tun sich auf zu dem Beginn des Bürgerkrieges in Jugoslawien, auch dort spielten Fanauseinandersetzungen mit Hintergrund des ethnischen Backgrounds eine gesellschaftlich eskalierende Rolle.

Viertelfinale auf einen Blick


Medipol Başakşehir - Çaykur Rizespor 

Akhisar Belediyespor - Galatasaray 

Beşiktaş - Torku Konyaspor 

Amed Sportif Faaliyetler - Fenerbahçe

Alle Spiele werden mit Hin- und Rückspiel ausgetragen. Im Halbfinale treffen dann die Sieger aus Medipol Başakşehir-Çaykur Rizespor und Akhisar Belediyespor-Galatasaray, sowie von Beşiktaş-Torku Konyaspor und Amed Sportif Faaliyetler-Fenerbahçe aufeinander. Die Hinspiele des Viertefinales sind für den 9.,10. und 11. Februar angesetzt. Die Rückspiel für den 1., 2. und 3. März. Die Halfinals finden Mitte April und Anfang Mai statt. Das Finale wird am 25. Mai in Antalya in der neuen Solar-Arena ausgetragen. (siehe Antalya-Arena: Sonnenstadion in der Touri-HochburgZu allen Spielen des türkischen Pokals können Tickets auch ohne Passolig-System erworben werden. Eine Möglichkeit für Touristen und Groundhopper auch mal ein Spiel in der Türkei zu erleben. 


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Deniz Naki ist zurück



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