Das wäre eine Schlagzeile gewesen die Anfang August der historischen Zwischennutzung des Berliner Olympiastadions Rechnung getragen hätte. Denn über einen Andrang von über 50.000 wie beim Bundesliga-Auftakt von Hertha BSC gegen den SV Werder Bremen (2:2) hätten sich die Organisatoren der türkischen Präsidentschaftswahl gefreut.
Historisch war die vom 31. Juli bis zum 3. August u.a. im Berliner Olympiastadion ausgetragene türkische Präsidentschaftswahl allemal. Auch deutsche Medien widmeten sich ausführlich dem mit türkischen Fahnen geschmückten Nazi-Monumentalbau. Gern wurden beim Anblick des rot-weißen Fahnenschmucks verwunderte Touristen zitiert. Die Hauptattraktion waren jedoch nicht die Touristen sondern die Berliner mit türkischen Paß, die erstmals in ihrem Leben an ihrem Wohnort direkt an einer Wahl teilnehmen konnten. Zuvor konnten sie dies nur bei einer Reise in die Türkei direkt am Grenzübergang an eigens aufgestellten Urnen tun. Diese Neuerung ist einem neuen Wahlgesetz der Erdoğan Regierung zu verdanken. Mit dem die Regierung Erdoğan ihren Weg die über 3 Millionen Türken in Europa ernster zu nehmen fortsetzt. Nach der Einführung des Ministerium für die Auslandstürken ist dies ein weiterer wichtiger Schritt, denn die Menschen in Europa nicht so schnell vergessen werden. Deshalb ist die Begeisterung in den Gesichtern derer, die den Weg ins Olympiastadion und an weitere sechs Orte in der Bundesrepublik gefunden haben, abzulesen. Die Begeisterung wählen zu dürfen , - von zu Hause.
Fikret Ceylan, jahrzehntelanger Manager von Türkiyemspor Berlin, vom Boulevard Mr. Türkiyemspor genannt, bei seiner ersten Stimmabgabe in der Berliner Heimat. (Quelle: Facebook/Fikret Ceylan)
Zur Wahlurne wurde das Stadion für bundesdeutsche Verhältnisse überraschend schnell und unbürokratisch. Erst im Februar dieses Jahres hat Ministerpräsident Erdoğan bei seinem Staatsbesuch in Berlin die Bitte an Bundeskanzlerin Merkel herangetragen das Olympiastadion für einen ganz anderen Wettbewerb nutzen zu dürfen. Mit einem überzeugenden Sicherheitskonzept Ende April wurden die letzten Hürden aus dem Weg geräumt und die Tore für die Urnen geöffnet. Und auch wenn nur ein Teil der VIP-Kabinen des Stadions als Wahlkabine genutzt wurde, hat das Olympiastadion einen neuen Titel und kann sich rühmen die größte Wahlurne der Welt gewesen zu sein.
Doch wie schön das Olympiastadion mit türkischen Fahnen für viele auch ausgesehen haben mag, wird es wohl bei dieser einmaligen Veranstaltung dieser Art im Olympiastadion bleiben. Denn Erdogan gewann die Wahl wie erwartet, damit wurde ein zweiter Wahlgang, der für diese Woche angesetzt wäre, unnötig. Doch auch die größte Wahlurne steht in der Kritik und mit ihr das Wahlsystem. Nur sieben Wahlokale in der Bundesrepublik und eine unflexible computergestützte Vergabe der Wahltermine an die Wähler hat eine enttäuschende niedrige Wahlbeteiligung erbracht. Nur 8.15% der 1.383.042 Wahlberechtigten fanden schließlich den Weg an die Urnen. So wird nun fleißig an einer Reform des neueingeführten Wahlrechtes gearbeitet. Für die nächste Wahl in der Türkei 2015, dann geht es um Parlamentssitze, werden Besserungen angekündigt. Das Anmeldesystem soll verbessert werden und es soll mehr Wahllokale geben. Das wäre dann wohl das Aus für die größte Wahlurne der Welt.
Wenn der Fußball nicht wäre, so wurde auch von offizieller Seite kritisiert, dass bei Testspielen der türkischen Top-Teams in Europa mehr Wahlberechtigte zusammenkämen als an den Urnen selbst. Folgerichtig wäre dann den nächsten Wahltermin mit den Spieltagen der Süperlig abzustimmen. So könnten zum Beispiel Fenerbahçe, Galatasaray und Beşiktaş jeweils ein Pflichtspiel im Olympiastadion mit gleichzeitiger Wahlprozedur absolvieren. Eine höhere Wahlbeteiligung wäre so leicht zu erreichen und wohl nur so könnte das Olympiastadion seinen Titel als größte Wahlurne der Welt verteidigen. Da sage noch einer das Politik und Sport nicht zusammengehören.